Ich, der Verpackungsengel. Die Herren freuten sich über mich

Es war gegen Ende meines Studiums. Über eine Agentur wurde ich in einem großen Kaufhaus eingesetzt: Uhren- und Schmuckabteilung. Adventszeit. Geschenke-Einpack-Service. Kann man besser in Weihnachtsstimmung kommen?

Ich tauchte in eine völlig neue Welt ein. Auf der einen Seite die festen Mitarbeiter des Kaufhauses. Sie beäugten uns „Freie“ kritisch, arbeiteten wir doch zu einem höheren Stundensatz als sie und sahen die Arbeit nur als lästigen Job, der bald vorüber sein würde. Bei selbst gebackenen Plätzchen während kurzer Pausenpläuschchen kamen wir uns dennoch näher. Alsbald war ich mittendrin, wenn sehnsüchtig Wünsche geäußert wurden (viele VerkäuferInnen verzehrten sich geradezu nach den eigenen Produkten oder denen der Nachbarauslagen), wenn über die eigenen Kinder getratscht wurde („Jetzt will sie noch studieren. Warum denn das? Brauchte ich doch auch nicht.“) oder aufsässige Verhaltensweisen erklärt wurden („Ich habe es mit dem Rücken. Hier stehe ich acht Stunden am Tag! Und dann wollen die mir meine Crocs nicht erlauben. Da bin ich zum Betriebsrat gegangen!“).

Auf der anderen Seite die Kunden. Oft Herren. Jung, alt, jeglichen Couleurs. Ein Geschenk für die Frau. Eine Uhr, ein Parfum, ein Element fürs Pandora-Armband.

Und an einem kleinen Klapptisch, umringt von Girlanden und Bändern, Tütchen und Papieren, ich, der Verpackungsengel. Die Herren freuten sich über mich. Ich verhalf ihnen zu einem perfekt eingepackten Geschenk ohne Firmenlogo, sie konnten es als ihre eigene Arbeit ausgeben. „Perfekt“ dauerte allerdings eine Weile. Nachdem ich anfangs mit viel Tesafilm und schiefen Ecken hantierte, erklärte mir eine Kollegin, wie man Fächer macht. Wahnsinn! Seitdem erkennt meine ganze Familie meine Geschenke immer an den Fächern. Rechts, links, rechts, links, Schleife drum, auffächern.

In der zweiten Woche hatte ich ein minikleines Loch in meiner blickdichten schwarzen Strumpfhose. Nicht schlimm, dachte ich. Noch am Vormittag kam die Abteilungsleiterin zu mir. Was mir denn passiert sei? Sie rate mir, in der Strumpfabteilung eine neue Strumpfhose zu kaufen. Ja, ich bekäme ihre Mitarbeiterkarte. Mindestens 60 DEN müssten es schon sein.

Die Strumpfhose habe ich noch heute. Sie will und will keine Laufmasche entwickeln. Ich mag ihre Beständigkeit.

Meistgehörter Song: Mariah Carey „All I want for Christmas is youuuuuu …“ Ich liebe den Song. Damals wie heute. Er versetzt mich in eine beschwingte, luftig leichte Weihnachtsstimmung.

Meistverkauftes Produkt: Schmuckelemente für Bettelarmbänder.

Meistgehörter Spruch: „Och, Sie müssen hier den ganzen Tag stehen? Das geht aber auf die Füße.“

NICOLA SCHWARZMAIER, Verlag