Im Osten wird es hell

GLEICHSTELLUNG Der neue „Gender Index“ ist da: Drei Landkreise aus Mecklenburg-Vorpommern haben Starnberg nach hinten verwiesen und führen das Ranking jetzt an

Der Index misst nicht die absolute Arbeitslosenquote, sondern die Differenz zwischen Frauen und Männern

VON SIMONE SCHMOLLACK

Der Westen ist dunkelrot und der Osten hellrot. Nein, es geht nicht um die SPD. Rot und Hellrot beschreiben die Chancen(un)-gleichheiten von Frauen und Männern, die der sogenannte Gender Index deutlich macht, in einer Landkarte, farblich und regional strukturiert. Und hier gilt: Je röter und je dunkler, desto schlechter steht es um die Geschlechtergerechtigkeit.

Der Gender Index, den das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung und die Hans Böckler Stiftung seit einem Jahr herausgeben, misst und bewertet, wie viele Frauen einen Job haben, wie hoch die Geschlechterunterschiede beim Einkommen sind, wie viele Bürgermeisterinnen es gibt und wie viele Mädchen und Jungen die Schule erfolgreich beenden.

Jetzt liegen die aktuellen Zahlen vor. Und die zeigen Erstaunliches: Der Osten steht wie schon 2008 besser da als der Westen. Schon vor einem Jahr leuchtete der Westen dunkelrot und der Osten hellrot. Und jetzt führen drei ostdeutsche Landkreise – Ludwiglust, Rügen und Nordwestmecklenburg – die Liste an. Vor einem Jahr lag Starnberg in Oberbayern vorn, gefolgt von Bitterfeld in Sachsen-Anhalt.

Die drei neuen Sieger liegen in Mecklenburg-Vorpommern, das Bundesland ist bekanntlich überaus stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Aber wie passt das zusammen: eine niedrige Beschäftigungsquote und die vorderen Plätze in der Rankingliste? Der Gender Index misst nicht die absolute Arbeitslosenquote, sondern die Differenz zwischen Frauen und Männern, also wie viele Frauen und Männer prozentual arbeitslos sind. In den drei genannten Landkreisen sind weniger Frauen als Männer ohne Job: Im Oktober 2009 waren von 100 Arbeitslosen 55 männlich und 45 weiblich. Aber: Die Stellen von Frauen sind in der Regel Mini- und Teilzeitjobs, häufig im Dienstleistungssektor und in der Pflege. Und dort wird bekanntlich äußerst schlecht bezahlt.

Auch andere Fakten misst der Gender Index nicht: Gerade aus Mecklenburg-Vorpommern wandern gut ausgebildete, junge Frauen ab, weil sie hier keine Perspektive für sich sehen. Ebenso misst der Index nicht, dass trotz der starken Erwerbsneigung der Frauen diese in den Jobcentern schlechter behandelt werden. Von den Eingliederungszuschüssen kommen nur 41 Prozent bei den Frauen an. Lisanne Straka, Abteilungsleiterin für Gleichstellungsfragen beim DGB Nord, drückt es so aus: „Die billigen Maßnahmen landen bei den Frauen, die teuren Existenzgründungsgelder bei den Männern.“

Wie erklärt sich bei all diesen traurigen Nachrichten dann aber das positive Abschneiden der drei Nordregionen? Der Gender Index ist eine Rankingliste und vergleicht alle kreisfreien Städte und Landkreise in Deutschland. Wenn Ludwigslust, Rügen und Nordwestmecklenburg mit all den Mankos vorn liegen, sieht es in den anderen Regionen also noch schlechter aus. Das erklärt auch, warum Grün als positive Bewertung in der gleichstellungspolitischen Landkarte gar nicht erst auftaucht.

Vorn liegt der ostdeutsche Norden aber auch hier: Mädchen brechen in Mecklenburg-Vorpommern seltener die Schule ab und haben bessere Noten, Frauen sind höher qualifiziert und haben öfter als Männer einen Hochschulabschluss. Und nahezu perfekt sind die Landkreise bei der politischen Teilhabe von Frauen: Hier gibt es genauso viele Bürgermeisterinnen wie Bürgermeister. Das schafft keine andere Region.

Und der Westen? Vor allem Bayern und Baden-Württemberg bekommen die rote Karte gezeigt. Auch Cloppenburg liegt weit abgeschlagen. Dabei gilt der niedersächsische Landkreis als vorbildlich, wenn es um hohe Geburtenraten und alternative Modelle bei der Kinderbetreuung geht.

Was ist der Grund dafür, dass der Osten weiter nach vorn prescht? „Das ist das Erbe der DDR“, sagt Marc Schietinger von der Hans Böckler Stiftung. „Die starke Erwerbsneigung der Ostfrauen wirkt nach.“ Aber das sage überhaupt nichts aus über die Lebensqualität im Osten. Die Geschlechtergerechtigkeit sei zwar höher ausgeprägt, träfe aber auf ein niedriges Niveau der äußeren Umstände.