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THEATER

Theater Esther Slevogt

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Die Figur des Zombies wird in der letzten Zeit auf dem Theater öfter bemüht, um dem Entsetzen darüber eine Gestalt zu geben, dass längst überwunden geglaubte Phänomene wie Rassismus, Antisemitismus oder militanter Nationalismus plötzlich wieder salon- oder mehrheitsfähig sind. Sind Untote aus der Vergangenheit dafür verantwortlich, dass das einfach nie, nie aufhört? Nun ist sogar Adolf Eichmann wieder da, einer der Organisatoren des Massenmords an den europäischen Juden. In einem Stück, das „Die Anhörung“ heißt begegnen wir ihm wieder. Geschrieben hat es der 1967 geborene tschechische Dramatiker Tomáš Vůjtek und als Material O-Töne aus dem Prozess gegen Eichmann in Jerusalem sowie Interviews zugrunde gelegt, die Eichmann Ende der 1950er Jahre mit dem deutsch-niederländischen Journalisten (und Nazi) Willem Sassen geführt hat. Gegenstand des Stücks ist der sogenannte „Nisko-Plan“: Im polnischen Nisko sollte ein sogenanntes Judenreservat geschaffen werden, in das auch die jüdischen Bewohner der tschechischen Stadt Ostrava deportiert werden sollten. Vůjtek kehrt mit seinem Stück nun noch einmal zurück, um die Sache dort zu verhandeln – vor keinem Geringeren als Gott himself, dem Eichmann ohne Skrupel entgegentritt. Die Inszenierung des Regisseurs Ivan Krejčí wurde von der tschechischen Kritik 2016 unter anderem zur Inszenierung des Jahres gekürt, Marek Cisovský in der Rolle von Adolf Eichmann als bester Darsteller ausgezeichnet. (Theater unterm Dach: „Die Anhörung“, 23. 6., 20 Uhr).

Dieses hochkarätige Gastspiel des Theaters Komorní scéna Aréna aus Ostrava findet im Kontext des Festivals „Ein Stück – Tschechien 2016“ des Übersetzernetzwerks Drama Panorama statt. In der Tschechischen Republik gebe es, so sagt es die Pressemitteilung, eine neue Generation von Theaterautoren, deren Texte eine Relevanz für den gesamteuropäischen Raum besäßen, und die dennoch im Ausland kaum bekannt sind. Diese Lücke will das Festival nun schließen, das das Drama Panorama in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Zentrum in Berlin veranstaltet und neue tschechische Dramatik vorstellt, darunter auch eine neue Arbeit von Roman Sikora (Infos und Programm: www.drama-panorama.com).

„Wo sind die Wörter, wenn sie nicht in meinem Mund sind? Wenn es still ist und es nichts zu sagen gibt?“ Fragen wie diese wirft die Performerin Joséphine Evrard in ihrem neuen Stück „The Root / Die Wurzel“ auf, in dem es um poetisches Abdriften, die Suche nach dem Nichtsagbaren geht (Sophiensæle: „The Root“, 28. & 29. 6., jeweils 20 Uhr).

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