UNTERM STRICH

Marcel Reich-Ranicki hat für seine Schilderungen aus dem Warschauer Ghetto die Auszeichnung „Rede des Jahres 2012“ erhalten. Am 27. Januar hatte der Literaturkritiker vor dem Deutschen Bundestag an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Die Rhetoriker der Universität Tübingen lobten die Ansprache in einer Mitteilung vom Dienstag: „Reich-Ranicki verweigert sich der konventionellen Gedenkrhetorik und verzichtet auf Appelle, Mahnungen und Forderungen.“ Stattdessen habe der 92-Jährige, selbst Überlebender des Warschauer Ghettos, eine bedeutende historische Szene aus eigenem Erleben geschildert. „Die detailgetreue, von subjektiven Wahrnehmungen und atmosphärischen Eindrücken durchzogene Erinnerung führt dem Zuhörer die Grausamkeit der Judenvernichtung vor Augen.“ Reich-Ranickis Rede sei kunstvoll und ergreifend.

  Der italienische Fotograf Alessio Romenzi hat mit seiner Fotoaufnahme eines syrischen Mädchens den internationalen Wettbewerb „Unicef – Foto des Jahres“ gewonnen. Das Bild zeigt ein Mädchen, dass im Warteraum eines Krankenhauses ängstlich auf einen Mann mit Kalaschnikow blickt. Als „ein Appell an alle Konfliktparteien in Syrien, internationales Recht einzuhalten“, bezeichnete die Unicef-Botschafterin Sabine Christiansen das Siegerbild 2012 bei der Preisverleihung, die am Dienstag in Berlin stattfand. Der zweite Preis ging an den indischen Fotografen Abhijit Nandi, der über lange Zeit Kinderarbeit in Indien dokumentierte. Der dritte Preis wurde an Andrea Gjestvang für ihre Arbeit mit Opfern des Attentats auf der norwegischen Insel Utøya vergeben. 120 nominierte Fotografen aus 37 Ländern hatten in diesem Jahr 1.310 Bilder eingereicht.