Rot-Rot-Grün ist sich einig

Treffen Ein Regierungsbündnis von SPD, Grünen und Linken? Kriegen wir hin, meinen die Jugendorganisationen und sagen, was sie ändern wollen: Vermögensteuer einführen, Frauenquote schärfen und Mindestlohn verbessern

Wenn wir Deutschland regierten: Uekermann, Schäfer und Michalke in der Brotfabrik (v. l.) Foto: Hartmut Seefeld

aus Berlin Anna Lehmann

„Erst wenn wir anfangen zu reden, glauben die da draußen, dass die Pause vorbei ist“, sagt Stefan Liebich. Der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei sitzt am Mittwochabend in der Brotfabrik, ein Kulturzentrum im Ostteil der Stadt, links neben ihm sitzen Johanna Uekermann, Jamila Schäfer und Josephine Michalke. Uekermann ist Bundesvorsitzende der Jusos, Schäfer gewählte Sprecherin der Grünen Jugend und Michalke vertritt die Linksjugend ['solid].

Vor ihnen balancieren Leute Gläser zu ihren Plätzen. Liebichs Satz bezieht sich auf das trödelnde Publikum, aber er passt auch gut zur Veranstaltung, einem Spitzentreffen besonderer Art: die Köpfe der Jugendverbände von SPD, Grünen und Linkspartei tauschen sich über Rot-Rot-Grün als alternatives Regierungsbündnis nach der Bundestagswahl 2017 aus und die Chancen einer gemeinsamen Kandidatin für die BundespräsidentInnenwahl.

Ihre jeweiligen Mutterparteien haben Rot-Rot-Grün in den letzten Jahren kaum noch erwähnt, also reden wir eben darüber, so der Gedanke hinter dem Treffen. Es findet zu einer Zeit statt, in der die Idee einer gemeinsamen Präsidentschaftskandidatin im Raum steht und erstmals wieder Optimismus aufkeimt, dass eine rot-rot-grüne Alternative zur Großen Koalition möglich wäre.

Mit der Nachwuchselite wäre das jedenfalls kein Problem. Eigentlich kennt man sich bereits von gemeinsamen Gedenkstättenfahrten oder war zusammen auf Demonstrationen für eine andere Bildungspolitik wie auch für einen raschen Kohleausstieg. Inhaltlich trennt die Parteijugend also nicht viel, das wird auf dem Podium schnell klar.

Selbst wenn das Selbstverständnis der Linksjugend eigentlich ein gänzlich anderes ist als das von Jusos und Grüner Jugend. ['solid] sieht sich als Teil der außerparlamentarischen Bewegung und steht Regierungsbeteiligungen grundsätzlich misstrauisch gegenüber. Ein entsprechender Beschluss des Bundeskongresses von 2013 stuft „Grüne und SPD als Teil des Problems ein“. „Aber drei Jahre sind für einen Jugendverband eine lange Zeit“, meint Michalke lakonisch, die vor neun Jahren mit 16 auch in die Linke eintrat.

Die drei Parteien könnten nach den Vorstellungen der Jungpolitikerinnen den Mindestlohn ausbauen, eine echte Frauenquote einführen, mehr Geld in die Entwicklungshilfe stecken, eine Vermögensteuer einführen und die Ehe für alle öffnen. „Das kriegen wir mit SPD und Linken hin, aber nicht mit der CDU“, meint Schäfer von der Grünen Jugend. Umso ärgerlicher findet sie, dass sich die Diskussionen in ihrer Partei auf ein Bündnis mit den Schwarzen zuspitzen.

„Und jetzt haben wir den an der Backe“

Josephine Michalke, Linksjugend, über Linken-Politiker Oskar Lafontaine

Kritik an ihren Parteien üben auch Uekermann und Michalke. Gegen die Zustimmung der SPD zu den Asylrechtsverschärfungen haben die Jusos umsonst protestiert. „Asyl ist ein Menschenrecht, das sollte man nicht einschränken“, sagt Uekermann betroffen.

Auch bei ['solid] hat so manche Äußerung aus der Linkspartei, etwa von Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht und ihrem Ehemann, für Entrüstung gesorgt. „Oskar Lafontaine hat ja schon den Rassismus des deutschen Facharbeiters bedient, als er noch Ministerpräsident im Saarland war, und jetzt haben wir den an der Backe“, seufzt Michalke. ­Uekermann äußert verständnisvolles Beileid.

Ein gemeinsamer Vorschlag für die Präsidentschaftswahl wäre ein sinnvolles Signal, um einer Alternative zur herrschenden „Alternativlosigkeit“ näher zu kommen, sind sich die drei Jugendvertreterinnen einig. Eine Person, die „sozial denkt, am besten weiblich ist und nicht zu alt“, fänden sie gut. Aber damit das klappt, sagt Uekermann, und hat dabei alle Parteien im Blick, „dürfen wir nicht immer mit roten Linien operieren und uns hinter diese zurückziehen, anstatt erst mal miteinander zu reden“.