Unwirkliche Orte zwischen Antarktis und Wüste

Zwischen Fassbinder und Trash: Im Metropolis-Kino gibt es nichts, was es nicht gibt. Martin Aust ist der Mann, der die Programme zusammenstellt

„More Casavetes, please!“, wünscht sich einer. Ein anderer mal wieder Zimmer mit Aussicht. Zahlreiche weitere Einträge im Gästebuch des Metropolis kann man nur mit Hilfe eines Übersetzers verstehen: Kommentare in Koreanisch, Indisch und Arabisch. Nicht verwunderlich, denn es gibt nur wenige Länder, die filmisch noch nicht in diesem Kino vertreten waren.

Das Metropolis, benannt nach Fritz Langs legendärem Schwarz-Weiß-Klassiker, wirkt von außen mit seinem trashigen Schriftzug wie ein Rotlicht-Kino in einem üblen Stadtteil. Doch wer sich von der Dammtorstraße durch den etwas heruntergekommenen Durchgang geschlagen hat, trifft auf ein Paradies für Cineasten. Das Kino, das sich ganz altmodisch noch Kinemathek mit „K“ schreibt, zeigt Filmklassiker, Retrospektiven aber auch viele unbekannte oder in Vergessenheit geratene Werke, die man nicht einmal mehr in den Nachtvorstellungen der öffentlich-rechtlichen Sender sieht.

„Wir verstehen uns aber nicht als Kunstkino“, betont Martin Aust, Programmchef des Metropolis. „Sondern vielmehr als Museum, das zeigt, was die Filmgeschichte zu bieten hat.“ Und dazu gehören nicht nur Kunstfilme, sondern alle Genres. „Wir zeigen auch ganz triviale Sachen“, sagt Aust. „Horrorfilme, B- und C-Filme, weil die ja schließlich einmal produziert worden sind und daher nicht in Vergessenheit geraten sollten.“ Insofern darf man sich nicht wundern, wenn neben der Fassbinder-Retrospektive auch mal eine Reihe über „Car-Crash“-Filme oder über „Girl-Gangs“ gezeigt wird.

40 bis 60 verschiedene Filme zeigt das Kino pro Monat. Für im Schnitt 40 bis 60 Zuschauer pro Tag. Das ist nur möglich, weil das Metropolis als kommunales Kino zu 50 Prozent von der Hamburger Kulturbehörde finanziert wird. Der Rest muss durch Eintrittspreise und Vermietungen eingespielt werden. „Kommerziell wäre das gar nicht machbar“, sagt Aust. „Manche Filme kosten zwischen 500 und 1.000 Euro pro Aufführung allein an Lizenzkosten – da käme man auch bei einem vollen Haus nicht auf seine Kosten.“

Der 51-jährige Germanist sagt von sich selbst, er hätte „nie gedacht, dass ich mal im Kino arbeiten würde“. Als Student war er Kurierfahrer für das Metropolis und verteilte die Programme. Heute schreibt er sie selbst. Die Auswahl der Themen erfolgt ganz unterschiedlich – „manchmal machen wir einfach das, was uns gerade einfällt, oder was wir gerne mal wieder sehen würden“, erzählt er. Manchmal entstehen aber auch umfangreiche, phantasievolle Reihen, zum Beispiel die über unwirkliche Orte. „Da hatten wir die Antarktis, die Wüste, das Weltall, die Seefahrt und den Dschungel“, zählt Aust auf.

Sein Job besteht allerdings nicht nur darin, Filme zu sehen und zusammenzustellen. „Im Prinzip ist das meiste Organisation, Geschäftsführung und Pressearbeit. Der Guckerspaß bleibt leider ein bisschen auf der Strecke“, sagt er. Dennoch bleibt immer noch Zeit, Cine-Raritäten nachzujagen. Und auch wenn sich Aust gerne als Verwalter darstellt, ist er doch fanatischer Cineast genug, um wochenlang Filmarchive auf der ganzen Welt nach frühen Kurzfilmen seines Lieblingsregisseurs Stanley Kubrick abzutelefonieren.

Was seine Besucher am liebsten sehen, ist eine Frage, auf die der Programmchef keine pauschale Antwort hat: „Das kann man nicht voraussagen. Wir haben zum Beispiel manchmal Riesenerfolge mit Stummfilmen mit Musikbegleitung.“ Junge Leute erreiche man dagegen eher mit Retrospektiven oder Werkschauen bekannter Schauspieler wie Al Pacino. Doch auch nach Jahren ist der Kino-Kunde für Aust noch ein unbekanntes Wesen. Er sei immer wieder überrascht, welche Besucher sich welche Filme ansähen. „Oft gehen Leute in wirklich experimentelle Filme, denen man gar nicht zutrauen würde, dass sie sich für so etwas interessieren.“

Der Großteil der Metropolis-Besucher sind Stammgäste, manche schauen sich bis zu drei Filme am Tag an. Das stimme ihn zuversichtlich für die Zukunft des Metropolis, sagt Aust: „Ich hoffe, dass wir diejenigen sind, die überleben werden in der Kinobranche. Weil wir den Menschen das Angebot machen, sich zu erinnern.“ Carolin Ströbele

Metropolis, Dammtorstraße 30 a, Tel. 34 23 53, www.metropoliskino.de