Menschen und Mauern

Intensiv betreute Wohngruppen für straffällige Jugendliche in Hamburg fordert die GAL in einem Alternativkonzept. Geschlossene Unterbringung im Heim Feuerbergstraße gescheitert. Sozialsenatorin will sich heute erstmals äußern

Von Sven-Michael Veit

Die Suche nach dem dritten Weg sei erfolgreich gewesen, verkündete die GAL-Fraktion gestern. Beim Umgang des Staates mit straffälligen Jugendlichen sei „der endgültige Abschied vom Ungeist Ronald Schills“ ebenso erforderlich, findet Fraktions-Vize Christian Maaß, „wie deutliche Verbesserungen gegenüber der Zeit des rot-grünen Senats“. Die Lösung laute: Menschen und Mauern. In einem dreigliederigen Konzept ihrer Jugendpolitikerin Christiane Blömeke, das die Grünen gestern präsentierten, wird deshalb eine Alternative zu dem Geschlossenen Heim Feuerbergstraße entworfen.

Aus dessen Innenleben wurden seit einer Woche nahezu täglich äußerst fragwürdige Praktiken bekannt: Freiheitsberaubung im Amt, unkontrollierte Vergabe von Psychopharmaka, rechtswidrige Aids-Tests sowie der Bruch des Post- und Anwaltsgeheimnisses (taz berichtete mehrfach) bezeugen, so Maaß, „eine Chronik des Scheiterns“.

Kernpunkt des grünen Konzepts ist die Einrichtung „Intensiv betreuter Wohngruppen“ (siehe Kasten), in denen „fachliche Kompetenz und zugleich Verbindlichkeit“ gewährleistet werden müssten, erläutert Blömeke. Voraussetzung sei die Einrichtung eines „Kooperationspools“, der in jedem Einzelfall „schnell und gezielt“ agieren müsse. In diesem Pool sollten Jugendhilfeeinrichtungen, Jugendpsychiatrischer Dienst und die Allgemeinen Sozialen Dienste sowie Schulen und Polizei „gebündelt“ darüber entscheiden, welche Maßnahmen „zur Betreuung eines strafauffälligen, gefährdeten Jugendlichen“ zu ergreifen seien. Dies müsse unter Einbeziehung medizinischer Dienste und der Eltern oder Vormünder erfolgen.

Die „passende Maßnahme“ könne, so Blömeke, „eine ambulante Begleitung“ über einen gewissen Zeitraum sein oder eben die Einweisung in eine Wohngruppe. „Auch in offenen Einrichtungen“, befindet die GALierin, „können wir die Jugendlichen Verbindlichkeit und Konsequenz spüren und lernen lassen“.

Fachliche Unterstützung bekommen die Grünen von Charlotte Köttgen, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und bis vor zwei Jahren Leiterin des Jugendpsychiatrischen Dienstes der Familienbehörde. Vor Einrichtung des Heimes Ende 2002 seien „die Warnungen von fast 50 Experten von der Politik missachtet worden“, erinnert sie an die damaligen Anhörungen in der Bürgerschaft. Sie selbst sei „erschrocken“ darüber, „wie schnell und massiv sich alle Bedenken bestätigt haben und zum Teil noch übertroffen wurden“.

Es sei „allgemeiner Erfahrungswert unter Fachleuten“, sagt Köttgen, „dass ein geschlossenes System die Fortsetzung von Biographien hervorbringt, nicht deren Änderung“. Die Jugendlichen in der Feuerbergstraße hätten zumeist „ein Leben voller Gewalt, Missbrauch und Drogen“ hinter sich, und genau das setze sich in dem Heim fort. In einem Alltag, so Köttgen, „aus Aggression gegen andere und sich selbst, aus Prostitution und sexuellem Missbrauch, mit Drogen, Gewalt und Repression“ würde niemand zu dem werden, was Blömeke ergänzend „gesellschaftsfähig“ nennt.

Deshalb sei eine „völlige Neukonzeptionierung“ notwendig, bekräftigt Maaß. Zwischen dem Konzept „Menschen statt Mauern“ der 70er Jahre und der gegenwärtigen „Mauern-statt-Menschen-Ideologie der CDU“ sei ein dritter Ansatz erforderlich, der Sicherheit und Pädagogik gleich gewichte.

Bezahlbar sei der im Übrigen auch, haben die Grünen ausgerechnet. Zurzeit müsse der Steuerzahler „Kosten von gut 900 Euro pro Tag pro Jugendlichen“ für die Feuerbergstraße aufbringen: „Reine Geldverschwendung für ein gescheitertes Prestigeprojekt“, urteilt Maaß.

Die verantwortliche Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) will sich nach ihrer Rückkehr von einer einwöchigen Türkeireise heute erstmals zu den Vorwürfen äußern.