Entschädigung nach Verspätung

EU-VERORDNUNG Trotz ziemlich klarer Rechtslage verweigern Fluggesellschaften gern Ausgleichszahlungen. Doch ist gibt Wege und Möglichkeiten, sich dagegen zur Wehr zu setzen – häufig mit Erfolg

Lange auf seinen verspäteten Flug zu warten kann ermüdend sein – und auch finanzielle Nachteile mit sich bringen Foto: Andrew Kelly/reuters

von HANNES KOCH

Vielen Flugreisenden wird diese Geschichte bekannt vorkommen. Eine Berlinerin flog vom Flughafen Tegel aus im vergangenen Juli ins kanadische Vancouver, wo sie ihre Tochter besuchte. Wegen der Verspätung des Zubringerflugs nach London verpasste sie den Anschluss und kam erst einen Tag später in Kanada an. Nun streitet sie sich mit der Fluggesellschaft um die Entschädigung. Wie geht man in solchen Fällen vor?

Das Flugzeug von British Airways kam bereits über eine Stunde zu spät in Berlin an. Demzufolge erreichte die Reisende am Londoner Airport Heathrow ihren Transatlantikflug nicht mehr. Man brachte sie in einem Hotel unter. Am nächsten Tag ging dann alles glatt. Ärgerlich war allerdings, dass der für gut zwei Wochen geplante Urlaub nun einen Tag kürzer ausfiel.

Eigentlich sollte dieser Fall klar sein. Die Reisende hat einen Anspruch auf Entschädigung. Dieser basiert auf der EU-Verordnung 261/2004, deren Aussagen der Europäische Gerichtshof in mehreren verbraucherfreundlichen Urteilen konkretisierte. „Wenn der Flug das Ziel mit mehr als drei Stunden Verspätung erreicht, stehen den Passagieren demnach definierte Zahlungen zu. Je nach Entfernung liegen diese zwischen 250 und 600 Euro“, sagt Eva Klaar, Expertin für Reiserecht der Verbraucherzentrale Berlin (VZ).

Verbraucherzentrale BerlinTel. (030) 214850, Hardenbergplatz 2, 10623 Berlin, mail@verbraucherzentrale-berlin.de, www.verbraucherzentrale-berlin.de

Schlichtungsstelle für den öffentlichen PersonenverkehrTel (030) 6449933-0 (Mo. bis Fr. von 10 bis 13 Uhr & 14 bis 16 Uhr), www.soep-online.de/beschwerdeformular_flug.html

Bundesamt für Justiz – Schlichtungsstelle Luftverkehr(0228) 99410-6120, ­luftverkehr@bfj.bund.de,www.bundesjustizamt.de

Die Höhe der Ausgleichszahlung hängt auch vom gezahlten Ticketpreis ab. Die Fluggastrechte-Verordnung der EU regelt außerdem Entschädigungen, wenn Flüge annulliert oder überbucht werden. Keinen finanziellen Ausgleich müssen die Fluggesellschaften dagegen leisten, wenn „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen, etwa schlechtes Wetter oder ein Streik des Bodenpersonals.

Trotz scheinbar klarer Rechtslage ist es für Kunden von Fluggesellschaften dennoch oft schwierig, ihre Ansprüche durchzusetzen. Manche Unternehmen zahlen zwar bereitwillig, weil sie den Imageschaden im Streitfall fürchten. Andere aber sind hartnäckig. Diese Firmen verfolgen die Strategie, die Kunden hinzuhalten und die Ansprüche auszusitzen. In ihren Schreiben verweisen sie dann darauf, dass die Verspätung tatsächlich auf „außergewöhnliche Umstände“ zurückzuführen sei, die man nicht dem Unternehmen anlasten können. Die Gesellschaften hoffen, dass es den Kunden an Durchhaltevermögen mangelt und ihnen der finanzielle Preis einer Auseinandersetzung vor Gericht zu hoch ist.

Allerdings existieren einfache Verfahren, die es aussichtsreich erscheinen lassen, dass man zu seinem Recht kommt. VZ-Expertin Klaar rät Reisenden, am Flughafen immer den Grund der Verspätung zu erfragen. In jedem Fall ist es auch ratsam, dass Passagiere sich zeitnah nach ihrer Rückkehr an die jeweilige Fluggesellschaft wenden. Schriftlich, unter Angabe der genauen Flugdaten und Umstände, sollten sie ihren Anspruch auf Entschädigung vortragen. Um einen Beweis in der Hand zu halten, wird der Brief am besten am Postschalter per Einwurf-Einschreiben abgeschickt. Geht es um eine Pauschalreise, die Flüge beinhaltete, muss man die Entschädigung gegenüber dem Reiseveranstalter innerhalb eines Monats geltend machen.

Im vorliegenden Fall lehnte die Fluggesellschaft die Anfrage der Kundin ab. Begründung: „Flughafenbeschränkungen, die außerhalb des Einflussbereichs von British Airways lagen“, hätten die Verspätung verursacht. Angesichts einer solchen Reaktion gibt es nun mehrere Varianten. Erstens können sich Passagiere an die Verbraucherzentralen wenden, die beim weiteren Vorgehen helfen. Zweitens kann man ein Schlichtungsverfahren einleiten.

Schlichter prüfen den Fall und erarbeiten eine für die Verbraucher kostenfreie Empfehlung

Dieses läuft in den meisten Fällen über die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) in Berlin. Dabei handelt es sich um ein Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung. Die Schlichter prüfen den Fall und erarbeiten eine für die Verbraucher kostenfreie Empfehlung. Bei Flugreisen war diese 2015 in 90 Prozent der Fälle erfolgreich. Alle deutschen und viele interna­tio­nale Fluggesellschaften machen bei der SÖP mit. Für Fluglinien, die sich der SÖP nicht angeschlossen haben, ist eine andere Institution zuständig: die Schlichtungsstelle Luftverkehr beim Bundesamt für Justiz. So ist es im vorliegenden Fall. Die Schlichter in Bonn hielten den Anspruch der Berlinerin für begründet und empfahlen British Airways, eine Entschädigung von 300 Euro pro Person zu zahlen. Das Unternehmen nahm das Angebot zur Güte jedoch nicht an.

Wer seine Ansprüche weiter durchzusetzen will, sollte einen Rechtsanwalt für Reiserecht beauftragen. Rechtsschutzversicherungen helfen, die Kosten zu decken. Die Erfahrung zeigt, dass die Airlines mitunter doch noch zu zahlen bereit sind. Ist das Unternehmen aber auch jetzt zu keinem Kompromiss bereit, landet die Sache bei Gericht. Eine andere Variante besteht darin, eine Online-Rechtsvertretung zu beauftragen. Firmen wie beispielsweise refund.me oder Flightright übernehmen das Kostenrisiko. Vereinbart wird ein Erfolgshonorar bei erfolgreicher Klage, das je nach Firma bei bis zu 35 Prozent liegen kann.