LeserInnenbriefe
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Ausstieg aus S 21 ist möglich

betr.: „Der Ingenieur verlässt den Tunnel“, taz vom 18./19. 6. 16

Richard Rother kommentierte den Rücktritt von Bahn-Vorstand Volker Kefer. Das hat er nicht schlecht gemacht, aber wieso schreibt er, es sei unwahrscheinlich, dass der Bau von Stuttgart 21 abgebrochen werde, dafür „wurde schon zu viel Geld verbuddelt“? Wisst ihr nicht, dass erst circa 10 Prozent des Bauvorhabens umgesetzt sind? Dass das Weiterbauen mindestens 10 Milliarden kosten würde, beim Ausstieg aber nur 1,5 Milliarden verloren wären? Dass eine Modernisierung des – ja immer noch voll in Betrieb befindlichen – Kopfbahnhofs maximal 2 Milliarden kosten würde? Dass dann immer noch 6,5 Milliarden gespart wären? Dass selbst nach Bahnrechnung (die 6,5 Milliarden Gesamtkosten behauptet) noch 3 Milliarden gespart wären? Dass selbst die S-21-Befürworter inzwischen die Leistungsschwäche von S 21 erkennen und teure Ergänzungen fordern? Dass die S-21-Gegner hochinteressante Konzepte entwickelt haben, damit das meiste des bereits Gebauten auch bei einem Umstieg auf die Kopfbahnhofrenovierung mitgenutzt werden kann?

Es geht hier nicht um einen Bahnhof, bei dem einiges ein bisschen dumm gelaufen ist, sondern um den größten staatlich-wirtschaftlichen Betrugsfall der Nachkriegsgeschichte, dessen Dimensionen mit dem Rücktritt von Volker Kefer noch nicht annähernd ans Licht gekommen sind. Ein Abbruch dieses Projekts ist dringend notwendig, weil der Weiterbau massive bundesweite Schäden für den gesamten Verkehrsbereich bedeutet. Martin Poguntke, Stuttgart

Erzählungen „vom Krieg“

betr.: „Die Grenzen der Selbstaufklärung“, taz vom 18./19. 6. 16

Sehr geehrter Herr Reineke, vielen Dank für Ihren besonders guten Artikel, der verständlich die wesentlichen Zusammenhänge des Umgangs der bundesrepublikanischen Gesellschaft mit dem Vernichtungskrieg des Nazi-Regimes in Mittel - und Osteuropa darstellt. Ich denke, die Nebelkerzen des Herrn Paul Schmidt, alias Paul Carell, haben immer noch ihre fatale Wirkung.

Ich bin in der Nachkriegszeit mit diesem „Opfermythos“ der deutschen Wehrmacht und der Bevölkerung insgesamt aufgewachsen. Ein ziemlich schrecklicher Brei, der unter anderem durch den westdeutschen Antikommunismus begründet war.

Ich war indoktriniert von dieser antirussischen Stimmung in den Erzählungen der Erwachsenen „vom Krieg“ und auch der Medien, die damals für mich aus dem Lesen von Quick, Revue und der Regionalzeitung bestanden. Erst durch eine Reise 1964 mit der evangelischen Jugend nach Prag stellte ich fest, dass tschechoslowakische Jugendliche „auch Menschen“ waren!

Diese Begegnung hat bei mir anhaltendes Interesse an den Menschen hinter dem ehemals „Eisernen Vorhang“ geweckt. Nach der Wende machte ich zahlreiche Reisen dorthin. Das Grauen des Vernichtungskrieges ist auf Schritt und Tritt dort immer noch sichtbar. Die Menschen sind alle noch davon gezeichnet.

Mir wird jedes Mal klar, wie wenig Wissen es auch bei den politisch Engagierten hier über die Millionen toten sowjetischen Kriegsgefangenen, die Holocaust-Opfer und über die Leiden der Zivilbevölkerung in Weißrussland, in der Ukraine und in den baltischen Ländern gibt. Orte wie Babi Yar, Shitomir (Ukraine), Trostenez (Belarus) oder Rumbula (Lettland) sind nur wenigen bekannt. Karin Püschel,Hamburg

Dermaßen Dreck am Stecken

betr.: „Anruf bei der Deutschen Bank“, taz vom 18./19. 6. 16

Liebe Frau Gaus, gerne lese ich Ihre Artikel. Ich schätze Sie als scharf beobachtende und kritische Journalistin. Auch Ihre skurrilen persönlichen Erlebnisse mit der Deutschen Bank waren sehr aufschlussreich. Allerdings hat mich irritiert, dass Sie Ihr Konto bei der Deutschen Bank haben. Schon Bert Brecht wies darauf hin, dass eine Bank an sich keine moralisch integre Institution ist. Aber ich finde es durchaus widersprüchlich, als kritische Journalistin ein Konto bei einer Bank zu haben, die dermaßen Dreck am Stecken hat. Wenn Sie die Entscheidung für diesen „Dienstleister“ als Ihre Privatsache betrachten, so haben Sie sicher recht. Dann sollten Sie das aber nicht in einem Artikel öffentlich machen. Roland Schröter-Liederwald, Witten

Höchstes analytisches Niveau

betr.: „Die Missverständnisse des Michael Ballack“, taz vom 18./19. 6. 16

Die DFB-Elf gewinnt nicht und „Experten“ geben ihren Senf dazu ab, so läuft das nun mal. Bei der taz muss Herr Feddersen jedoch eimerweise Hass und Häme über Michael Ballack auskübeln: Beim DFB habe man ja keine Verwendung mehr für ihn gehabt, größenwahnsinnig sei er und außerdem Schönheits- und natürlich auch Schwulenhasser. Alle seine Vorwürfe zieht Feddersen dabei locker-flockig aus einem Zitat Ballacks im US-Fernsehen: Nicht nur schön spielen solle man, sondern sich auch aufs Gewinnen konzentrieren. Das ist gängiges Mentalitätsgesülze, den ganzen Rest dichtet Feddersen dazu.

Und Kahn und Scholl als leuchtende Gegenbeispiele, die anständige Taktikanalysen liefern? Bei der WM 2014 lästerte Oli Kahn über „die Südländer“ und Scholl führte die Erfolge lateinamerikanischer Teams wahlweise aufs Klima oder ein „großes Herz“ zurück, attestierte „den Südamerikanern“ ein allgemeines Faible für Frustfouls und sinnierte darüber, dass afrikanische Mannschaften „halt so“ spielen, nämlich planlos. Höchstes analytisches Niveau also. Bitte mal zwanzig Gänge zurückschalten, bevor jemand aufgrund einer belanglosen Plattitüde zum Lord Voldemort aufgeblasen wird. Michael Schöffski,Köln