Ticketkontrollen
: Der eingeplante Systemfehler

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Einige der Kontrolleure in U-Bahnen und Trams sind alles andere als sympathische Figuren. Und Ausraster, wie sie in der Vergangenheit vorkamen, sind unentschuldbar. Aber wahr ist auch: Die Kontrolleure stecken in einem perfiden System. Eine Kombination aus Niedriglöhnen und Vergünstigungen beeinflusst ihr Verhalten – so wie ein Fließband Arbeitern ihren Lebenstakt vorschreibt.

Kommentar von ULRICH SCHULTE

Ganz vorn, am Schaltpult des Fließbandes, sitzt die BVG. Die von Sparzwängen getriebenen Verkehrsbetriebe haben das sensible Geschäft der Kontrollen an Private vergeben, weil die es billiger erledigen. Sie übt mit vertraglich geregelten Jahresquoten Druck aus. Die auf ihre Gewinnmargen bedachten Sicherheitsfirmen geben den Druck an ihre Kontrolleure weiter.

Das Feine an dem System ist, dass jeder der Verantwortlichen Verantwortung abstreiten kann. Die BVG gibt unschuldig zu Protokoll: Sorry, für die Interna der Sicherheitsfirmen können wir nichts. Die Chefs der Sicherheitsfirmen können darauf verweisen, dass es klare Regeln dafür gibt, wann ein erhöhtes Beförderungsentgelt zu kassieren ist und wann nicht. Und der Letzte in der Kette, der Kontrolleur, steht bei ungezählten, kleinen Entscheidungen in der Grauzone vor der Frage: Lasse ich Kulanz walten oder bessere ich meinen Minilohn auf? Die Antwort fällt meist sehr menschlich aus.

Für die BVG ist das Prozedere bequem. Allein, sie tut sich damit keinen Gefallen. Denn das Thema offenbart, wie sich Marktmechanismen gegen sie selbst wenden können: Unterbezahlte Kontrolleure bedeuten genervte Kunden. Genervte Kunden bedeuten weniger Marktanteile – im Normalfall. Zum System BVG gehört nämlich auch, dass sie ein Monopol hat.