Aktive Klimapolitik muss nachvollziehbare Forderungen aufstellen
: Bauverbot für Hamburg!

Wir müssen deutlich mehr für den Klimaschutz tun, fordert Klaus Troge, Chef des Umweltbundesamts. Ach wirklich? Troges Aussage illustriert ein Dilemma, in dem er ebenso steckt wie der designierte Umweltminister Sigmar Gabriel oder der Bundesverband der Deutschen Industrie: Die Vermittlung von Klimapolitik steckt in der Sackgasse.

21 Thesen für eine Klimaschutzpolitik des 21. Jahrhunderts hat das Umweltbundesamt gestern veröffentlicht. Senkung des Energieverbrauchs, weniger Emissionshandel, Ausbau der Ökolandwirtschaft, energetische Gebäudesanierung – keine der Forderungen ist neu. Das ist auch nicht nötig: Nicht einmal der rot-grünen Bundesregierung ist es gelungen, die Erkenntnisse der Fachwelt über Ansätze hinaus politisch umzusetzen. Irgendein Lobbyist hatte immer den Fuß in der Tür.

Besserung ist kaum in Sicht: Bei den meisten designierten Regierungsmitgliedern gehören Begriffe wie „Erderwärmung“ nicht zum aktiven Wortschatz. Zwar kann die Wissenschaft immer exakter vorhersagen, wie hoch Hamburg in 100 Jahren überflutet sein wird – aber die Politik weigert sich weiter, Klimaschutz zu forcieren. Daran sind die Klimaschützer nicht unschuldig. „Klimafolgenanpassung“ heißt ein neues Zentrum des Umweltbundesamtes. Niedliche Formulierung für eine Horrorabteilung, deren Aufgabe es ist, Symptome des bisherigen Klimawandels zu dokumentieren. 100 Milliarden Euro Klimaschäden jährlich für Deutschland bilanziert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung – ohne zu sagen, dass wir die bezahlen müssen. Das Hamburger Institut für Meteorologie sagt zwar heftige Sturmfluten und einen Pegelanstieg der Nordsee um 43 Zentimeter voraus. Ein sofortiges Bauverbot für die Hansestadt zu fordern traut man sich nicht. Wissenschaftler sind keine Alarmisten. Sie argumentieren seriös. Dabei ist der Klimawandel längst Realität. Aktive Klimapolitik kann deshalb nur der Versuch sein, kommende Katastrophen zu lindern. Bauverbot in Hamburg! Solange es an derart plastischen Übersetzungen aus der Fachwelt fehlt, so lange werden Politik, Wirtschaft und Wahlvolk weiter glauben: Kommende Katastrophen haben mit dem Heute nichts zu tun. NICK REIMER