„Die Schwarzen müssen sich selbst organisieren“

Hunderttausend schwarze US-Amerikaner protestieren in Washington unter Führung der „Nation of Islam“ gegen das „weiße Amerika“

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Was auf der Grünanlage vor dem Capitol am Samstag wie ein stramm organisiertes Familienfest schwarzer US-Amerikaner aussah, war Protest- und Gedenkveranstaltung in einem. Wer sich hier versammelte, wollte beitragen zur neuen „Millions More Movement“ und an den legendären „Million Man March“, den Solidaritätsaufruf schwarzer Männer vor zehn Jahren anknüpfen.

Armut, Ungerechtigkeit, Arbeitslosigkeit und die Folgen schlechter Schulen müssten bekämpft werden, forderte Organisator und Hauptredner Louis Farrakhan, Führer der „Nation of Islam“ in seiner anderthalbstündigen Rede. Farrakhan warb für eine Selbsthilfeagenda schwarzer US-AmerikanerInnen, forderte Wiedergutmachung für die Nachkommen von Sklaven und lancierte die Idee einer neuen politischen Partei, die die Macht und Einflussmöglichkeiten schwarzer AmerikanerInnen erhöhen solle.

„Wir müssen uns organisieren wie nie zuvor“, betonte Farrakhan. Die verspätete Hilfe für die Opfer des Hurrikans „Katrina“ im Süden des Landes hätten ein weiteres Mal gezeigt, dass Arme und Schwarze sich nicht auf die Washingtoner Regierung verlassen dürften. Immer wieder war von den Rednern, darunter Malik Zulu Shabazz, Vorsitzender der Neuen Black Panther Partei, zu hören, dass ein weißes New Orleans schneller gerettet worden wäre: „Bush hat die Menschen von New Orleans ertränkt und die Deiche sabotiert.“

Farrakhan beschuldigte George W. Bush, die Menschen belogen zu haben und die Staatskassen zu plündern, um seinen Krieg im Irak finanzieren zu können. Farrakhan bedachte allerdings auch die Demokraten mit harscher Kritik. Sie benutzten und missbrauchten die Schwarzen, die Braunen und die Armen.

Daher sei es an der Zeit, so Farrakhan, „über eine neue politische Partei nachzudenken“. Da es hoffnungslos sei, auf die Unterstützung des weißen Amerika zu warten, müssten sich die Schwarzen eben selbst organisieren – mit eigenen Ministerien für Gesundheit und Soziales, Landwirtschaft, Bildung, Justiz, Kultur, ja sogar eines für Verteidigung. „Stell dir vor, wir hätten in den Zeiten von ‚Katrina‘ eigene Verwaltungen gehabt, dann wären wir nicht abhängig von der Regierung gewesen“, meint eine junge Frau, die aus dem Umland angereist war.

Wie viele Menschen an der Veranstaltung tatsächlich teilnahmen, blieb unklar. Die Veranstalter machten dazu keine Angaben, Beobachter schätzen, dass rund 100.000 Menschen gekommen waren, wesentlich weniger als noch vor zehn Jahren.