Routinierter Umgang mit den Rechten

Ein Jahr nach dem Einzug der NPD in den sächsischen Landtag ist die Zeit der kopflosen Reaktionen auf die Rechtsextremen vorbei. Die Absprachen der anderen fünf Parteien funktionieren. Doch auch die NPD-Fraktion selbst hat ihre Taktik geändert

AUS DRESDENMICHAEL BARTSCH

Die 5 Prozent, die die jüngste Emnid-Umfrage der sächsischen NPD bescheinigt, feiert ihr Landesvorsitzender Winfried Petzold als Erfolg – obwohl die Partei damit 4,2 Prozent gegenüber der Landtagswahl 2004 verloren hat. Für den Landtagsabgeordneten und Ideologen Jürgen Gansel sind die 4,8 Prozent Sachsenstimmen bei der Bundestagswahl schon ein „positives Ergebnis“. Sogar Holger Apfel, NPD-Fraktionsvorsitzender und verbaler Oberflegel im sächsischen Landtag, räumt im NPD-Zentralorgan Deutsche Stimme ein, „dass sich der Aufstieg verlangsamt hat“.

Im Landtagsgebäude am Dresdner Elbufer hat sich ein Jahr nach dem Einzug der NPD-Abgeordneten indes die Aufregung über die Rechtsextremen etwas gelegt. Das liegt weniger an einer schwächelnden NPD als an ihrer veränderten Taktik – und dem mit gehöriger Verspätung formierten kollektiven Widerstand der anderen Fraktionen. Was wurde in der Verwirrung nach der konstituierenden Landtagssitzung vom 19. Oktober 2004 nicht alles probiert: demonstratives Verlassen des Plenarsaals, das Zeigen der persönlichen Rückfront, flammende Grundsatzreden. SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss avancierte so zum meistgehassten Nazi-Gegner, und sein CDU-Kollege Fritz Hähle musste Angriffe aus der eigenen Partei hinnehmen, als erst Anfang dieses Jahres eine Absprache aller fünf demokratischen Fraktionen unter Einschluss der PDS zum Verhalten gegenüber der NPD gelang. Bei der Wahl der Verfassungsrichter hat sie sich bewährt, um die NPD nicht zum Zünglein an der Waage werden zu lassen.

Dennoch genießt die NPD weiter ihre Rolle als ungewollter und wechselnder Bündnispartner der Koalition oder der Opposition. Gleich in der ersten Arbeitssitzung des neuen Landtages polemisierten CDU und NPD in größter Übereinstimmung gegen die von der PDS gewünschte teilweise Cannabis-Legalisierung. Auch die Abgeordnetenanklage gegen den angeblich Stasi-belasteten PDS-Fraktionschef Peter Porsch fand die NPD-Zustimmung. Umgekehrt unterstützte sie wiederum die PDS bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zur Landesbank Sachsen. Geheime Abstimmungen, bei denen in der Vergangenheit bis zu fünf Überläufer für NPD-Vorschläge votierten, hat es im Landtag nun längere Zeit nicht gegeben.

Nicht zu erwarten war eine Selbstdemontage der NPD wie die der DVU im Sachsen-Anhaltischen Landtag. Die zwölfköpfige Fraktion wird unter Anleitung von Geschäftsführer und Bundeswahlkampfleiter Peter Marx eifrig getrimmt. Jeder Auftritt wird von der Pressetribüne aus gefilmt und ausgewertet. Die Partei hat ihr intellektuelles Potenzial in der Mitarbeiterschaft der Dresdner Fraktion zusammengezogen. Vor allem aber hat die NPD spürbar ihre Taktik geändert. Obschon äußerlich korrekt auftretend, waren anfangs Provokationen wie der „Bombenholocaust“ und andere Ausfälle der westdeutschen Importe im Umfeld des Dresdner Zerstörungsgedenkens wohl kalkuliert. Mittlerweile gibt sich die Partei verbindlicher, schickt eher den gemäßigten Arzt Johannes Müller oder den bodenständig-schlagfertigen Uwe Leichsenring vor und hält eigene Zwischenrufer und -frager schon mal zurück. Nicht kaschieren können hat die NPD hingegen ihre karge Substanz und die Monothematik nationaler Errettung. So bedauerte Fraktionschef Apfel in der Deutschen Stimme denn auch, dass es im Landtag nur um landespolitische Fragen gehe.

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