Der Bremer Sieger über Werder-Willi

„Ich hab mich auf keinen Bagger gesetzt, um ein schönes Foto in der Presse zu bekommen.“ In seinem Bewerbungsschreiben vor zwei Wochen an die SPD-Basis hat sich der Bremer SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen noch gegen seinen Konkurrenten, Bildungssenator und Ex-Werder-Manager Willi Lemke abgegrenzt. Künftig wird er vielleicht gemeinsam mit Lemke posieren: Die Bremer SPD-Mitglieder kürten Böhrnsen am Samstag mit 72 Prozent der Stimmen zum designierten Nachfolger von Bürgermeister Henning Scherf (SPD). Ein Parteitag, die Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft und der Bremer Senat werden das Votum bis zum 9. November noch formal nachvollziehen.

Böhrnsen, 56 Jahre, ist ein Sozialdemokrat traditioneller Prägung: Arbeiterfamilie, der Vater SPD-Fraktionschef und mehr als 20 Jahre Betriebsratsvorsitzender einer großen Bremer Werft. Als Sohn Jens 1968 gegen die Fahrpreiserhöhungen der Straßenbahn protestiert, soll sein Vater im Untersuchungsausschuss die Ursache der Jugendunruhen aufklären.

Jens Böhrnsen studiert Jura in Kiel, wird Richter am Bremer Verwaltungsgericht und 1995 in die Bürgerschaft gewählt. Ein Jahr später ist er ebenfalls Vorsitzender eines Untersuchungsausschusses: Der hat die Pleite des Bremer Vulkan-Konzerns zum Gegenstand. Mit den Spätfolgen der Werftenkrise wird sich der Regierungschef in spe des Haushaltsnotlagelandes Bremen zehn Jahre später noch immer herumschlagen müssen.

Anhänger bezeichnen den Juristen, der niemals laut wird und Schnellschüsse verabscheut, bisweilen als das Gewissen seiner Partei – das auch mal eigenständig agiert. Etwa wenn der Sozialdemokrat Böhrnsen, wie im letzten Jahr, die Tierversuche mit Makaken-Affen an der Bremer Uni stoppen will – und dabei, obwohl Jurist, an den juristischen Gegebenheiten scheitern muss. Oder wenn der Fraktionsvorsitzende Böhrnsen im Koalitionsausschuss mit der CDU verabredet, den Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewoba, die 70.000 Wohnungen in der Stadt vermietet, zu „prüfen“ – und der Sozialdemokrat Böhrnsen dann diesen Verkauf doch kategorisch ablehnt.

Gemeinsam mit SPD-Landeschef Carsten Sieling bezichtigte Böhrnsen Anfang des Jahres Scherfs große Koalition der „Lähmung“. Nach einem Spitzengespräch mit dem „Langen“ verschwand ihr Papier in der Schublade. Spaßvögel erzählen seither die Geschichte von den beiden Brutussen, die das Messer auf dem Marktplatz verloren hatten.

Vor gut zwei Wochen kündigte Scherf seinen Rücktritt an. Böhrnsen brauchte kein Messer. ARMIN SIMON