Amnesty wirft Küstenwache Misshandlungen vor

LIBYEN Menschenrechtler berichten von schweren Vergehen an Bootsflüchtlingen

BERLIN epd/taz | Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der libyschen Küstenwache schwere Vergehen im Umgang mit Bootsflüchtlingen im Mittelmeer vor. Mitarbeiter der Küstenwache würden Flüchtlinge, die von Libyen über das Mittelmeer nach Italien kämen, auf dem Meer aufgreifen, schlagen und beschießen, teilte Amnesty am Dienstag in Berlin mit. Viele der Geflüchteten würden zudem in libysche Haftzentren gebracht, wo ihnen Folter und Misshandlung drohten. AI und andere Menschenrechtsorganisationen haben bereits ausführlich über diese Missstände berichtet.

Laut dem Bericht vom Dienstag haben Amnesty-Mitarbeiter im Mai mit 90 Flüchtlingen auf Sizilien und in Apulien in Italien gesprochen. Mindestens 20 der Befragten hätten von Schüssen und Schlägen seitens der libyschen Küstenwache berichtet. Andere seien Opfer von Folter und anderen groben Misshandlungen in den Haftzentren in Libyen geworden. In einem Fall habe die libysche Küstenwache sogar ein sinkendes Boot mit etwa 120 Flüchtlingen verlassen, ohne den Notleidenden zu helfen, teilte Amnesty mit.

Wie AI weiter berichtet, wurden allein zwischen dem 22. und 28. Mai mindestens 3.500 Personen von der libyschen Küstenwache aufgegriffen und in Haftzentren gebracht. Der 23-jährige Eritreer Abdurrahman beschrieb Amnesty, was ihm widerfuhr, als er gezwungen wurde, das mit 120 Personen überladene Boot mit einer Kapazität für 50 Menschen zu verlassen.

„Sie zwangen alle, runterzugehen, und schlugen sie mit Gummischläuchen und Holzstöcken. Sie schossen einem Mann in den Fuß – er war der letzte, der das Boot verließ, und so fragten sie ihn, wo der Steuermann sei. Als er sagte, dass er das nicht wisse, sagten sie ‚Das heißt, du bist der Steuermann‘, und sie erschossen ihn.“

„Die EU riskiert mit ihren aktuellen Plänen zur engeren Kooperation mit Libyen, diese Menschenrechtsverletzungen noch zu befeuern“, kritisiert Amnesty. Die EU hatte kürzlich angekündigt, ihre Mittelmeermission namens „Sophia“ auszuweiten. B.S.