Für Bauch und Birne

Lesefutter: Prosa und Lyrik auf Bio-Brötchentüten

Viel Platz ist da nicht. 32 mal 20 Zentimeter, wobei man die weißen Ränder noch abziehen muss. Und die Werbung unten. Und das Logo oben. Dazwischen aber ist Raum für fast alles: für Satiren, kleine Anekdoten, für Lyrik. Nur Paul Celan oder Texte von abgehobener Schärfe, „die eher nicht“, sagt Frank Riepe. Zusammen mit dem Kölner Autor Jens W. Gantzel gibt Riepe das Lesefutter heraus: mit Literatur bedruckte Brötchentüten, sozusagen Futter für Bauch und Birne.

Revolutionär neu ist die Idee der auf Kleinstflächen komprimierten Texte nicht. Vor einem Jahr gab der Münchner Verlag Blumenbar den Zigarettenroman heraus. Mit Texten von Wladimir Kaminer oder Maxim Biller bedruckte Pappschuber, die Intellektuelle ihren Zigarettenschachteln anziehen konnten. Lesefutter hingegen hat nichts mit Bekenntnissen zu bestimmten Autoren zu tun, Lesefutter kommt nebenbei ins Haus und bietet Literatur damit ein beträchtliches Forum. Die jüngste Auflage, vertrieben über Bioläden und Reformhäuser in mehr als 170 Städten, brachte es auf stattliche 220.000 Stück – davon können die meisten Autoren nur träumen, vor allem junge.

Unbekannte Dichter könnten sich so hervorragend einen Namen machen. Die meisten Texte stammen aber von Autoren, die bereits Bücher vorgelegt und Preise abgeräumt haben. So gesehen ist Lesefutter nichts anderes, als das, was unten auf den Tüten steht: Werbung, und zwar für eine bereits vorhandene Marke. Andererseits bietet Lesefutter Autoren eine zusätzliche Einnahmequelle. Und dem Brötchenkäufer ein paar kurzweilige Minuten. Beispielsweise mit Martin von Arndts Geschichte „Die Merowingerkönige“ über ein Volk unauffälliger Herren, die mit Vorliebe Rufnamen verunstalten. So dass die Generationen überquollen von Childeberts, Chilperichs, Chlothars, Chlodwigs und Childerichs. ROS