Städte ohne Familien

Zukunftsforscher Opaschowski glaubt, dass dem Leben in der Stadt die Zukunft gehört. Sie erfülle die meisten Wohnwünsche der Deutschen

von Gernot Knödler

Horst W. Opaschowski sagt den Städten eine große Zukunft voraus. „Die Deutschen entdecken die Qualität des Stadtlebens wieder, die Innenstadt als lebenswerten Wohnraum, in dem sich Menschen wohl fühlen können“, stellt der Hamburger Zukunftsforscher in seiner neuesten Studie „Besser leben, schöner wohnen? – Leben in der Stadt der Zukunft“ fest. Zum einen lebten immer mehr Menschen in Städten, zum anderen seien diese am ehesten in der Lage, die Wünsche zu erfüllen, die Menschen mit ihrem Wohnort verbinden.

Beim Ranking der deutschen Großstädte schneidet Hamburg in puncto Lebensqualität, Schönheit und – mit Abstand – Seniorenfreundlichkeit am besten ab. Opaschowskis Zuarbeiter haben dafür allerdings nur 100 Hamburger befragt. Jede Stimme mehr oder weniger entspricht somit einem Prozent. Die meisten Umfragen, die dem Buch zugrunde liegen, arbeiten aber mit einer aussagekräftigeren Grundgesamtheit von 2.000 oder zumindest 1.000 Befragten.

Als „wichtig für ihren eigenen Wohnort“ bezeichneten demnach 76 Prozent aller Befragten kostenlose Beratungsstellen zu Themen wie Schwangerschaft, Schulden oder Drogen. Es folgt die „gute Zusammenarbeit von Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen“ mit 72 Prozent und ein „denkmalwerter Baubestand“ sowie gepflegte Parks mit jeweils 71 Prozent. Das Sicherheitsgefühl der Einwohner liegt dagegen nur bei 62 Prozent und eine autofreie City bei 51.

Zur Grundversorgung an öffentlichen Einrichtungen gehören für mehr als drei Viertel der Deutschen Kindergärten, für mehr als die Hälfte Jugendzentren und für die Mehrheit (56,1 Prozent) Altentagesstätten. Das liest sich so, als sei der allseits beschworene demographische Wandel bei den Leuten angekommen.

Die meisten Großstädte werden von ihren Bewohnern nicht für kinderfreundlich gehalten: Nur 46 von 100 befragten Hamburgern erklärten ihre Stadt für kinderfreundlich, was dem Durchschnitt der zehn größten deutschen Städte entspricht. Mit 65 Positivaussagen schnitt hier Bremen am besten ab. Konkret ließ Opaschowski nach Angeboten an Ganztagesbetreuung fragen, die 26 Prozent der Befragten für mangelhaft halten, und nach Kinderspielplätzen, deren Fehlen ebenfalls 26 Prozent bemängelten. Die Großstädte schnitten dabei etwas schlechter ab als die kleineren Wohnorte.

Beim Thema Wohnen stellt Opaschowski einen Trend zu neuen Wohnformen fest: Zwölf Prozent aller Befragten bezeichneten „eine Wohngemeinschaft in einem Haus, in dem mehrere Generationen eine eigene Wohnung haben und jederzeit in Gemeinschaftsräumen zusammenkommen können, aber nicht müssen“ als ihren „Zukunftstraum“.

Der Hamburger Forscher hält das für den Keim einer Umwälzung, zumal 26 Prozent der Befragten in Zukunft in einer Wohnanlage mit Menschen wohnen möchten, die „gleiche oder ähnliche Interessen haben“. Das Ideal vom Leben in der Kleinfamilie sei damit passé. Vielmehr würden die Wohnformen jedes Einzelnen von wechselnden Lebensphasen bestimmt.