„Stimmung ist anders als das Ergebnis“

Bildungs- und Wissenschaftssenator Willi Lemke (SPD) über seine Niederlage im Rennen um das Amt des Bürgermeisters, die tauben Ohren der Bremer SPD und den Unterschied zwischen gefühlter Sympathie und hartem Wahlergebnis

taz: Herr Lemke, nach sechs Jahren als SPD-Bildungssenator haben Sie im Rennen um das Bürgermeisteramt in Ihrer Partei nur 27 Prozent erzielt. Haben Sie die falsche Politik gemacht?

Willi Lemke: Nein, sicher nicht. Meine Politik war richtig, in den letzten sechs Jahren und in den letzten sechs Tagen. Ich habe den Parteimitgliedern gezeigt, wo wir stehen und wofür ich stehe. Das hat die Partei offensichtlich nicht überzeugt. Aber deshalb muss die Politik nicht falsch sein.

Ihr Konkurrent Jens Böhrnsen beteuert ebenso, nichts als die Wahrheit gesagt zu haben.

Deshalb bin ich jetzt sehr neugierig, wie das weiter geht. Ich möchte gemeinsam mit Jens das sozialdemokratische Profil in dieser Koalition schärfen. Dabei werde ich ihn nach besten Kräften unterstützen.

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus Ihrem schlechten Abschneiden?

Gar keine. Diese Befragung ist für mich abgeschlossen. Ich mach’ mir nicht ’nen Kopf, wie das dazu gekommen ist. Wenn ich mit der Bevölkerung spreche und mich da unterhalte über die Stadt, das Land, wo wir stehen, wie’s weitergeht, dann habe ich einen völlig anderen Eindruck, als wenn ich in den Veranstaltungen der SPD bin.

Im Land ist Ihr Rückhalt höher?

Ja. Da ist ein Verständnis für die Lage und das, was wir uns noch erlauben können. Das ist eine Riesendiskrepanz zwischen der Haltung der Partei, die nicht hören wollte, dass der öffentliche Dienst auch mit herangezogen werden muss, wenn wir das Land noch retten wollen. Damit sage ich nichts zu dem, was Jens Böhrnsen gesagt hat. Das muss er jetzt umsetzen. Er hat andere Schlüsse aus der Lage gezogen.

Die Partei hat einen Scherf-Kritiker als Nachfolger von Henning Scherf nominiert. Sind Sie ein Opfer der großen Koalition?

Nein, ich sehe mich nicht als Opfer. Ich bin Willi Lemke und habe mir im Leben immer Ziele gesetzt, die ich dann auch erreicht habe. Jetzt habe ich kandidiert für ein ganz schweres Amt – weil ich davon überzeugt bin, auch noch heute, dass ich ein guter Nachfolger von Henning Scherf gewesen wäre. Ich habe schon vor den Wahlveranstaltungen im Prinzip gewusst, dass ich keine Chance haben würde. Aber ich habe trotzdem bis zum Schluss gekämpft und ich find’s auch richtig, weil: Ich geb’ nicht auf. Ich hätte ja nicht kandidieren müssen. Dann hätten wir innerhalb von 10 Minuten Jens Böhrnsen einstimmig gewählt. Ich hab’ 2.500 Leuten in den letzten 14 Tagen gesagt, wofür ich stehe. Das hat mich nicht geschwächt, trotz des grausamen Wahlergebnisses, sondern das hat mich weiterentwickelt. Ich habe gelernt, dass es sich lohnt zu kämpfen, auch wenn man auf verlorenem Posten steht – wenn man von seiner Politik überzeugt ist. Und ich bin total überzeugt.

Ist die SPD-Mitgliederbefragung eine Richtungswahl?

Nein. Aber – vielleicht möchten die Genossen doch lieber auch mit jemand anderem zusammen gehen. Vielleicht steht das dahinter. Aber ich hab’ eher andere Dinge empfunden.

Stehen Sie jetzt besser da, in der Partei und in der Stadt, als vor Ihrer Kandidatur?

Ich bin der Willi Lemke geblieben, den die Leute immer gekannt haben und für den sie sich auch immer eingesetzt haben. Ich rede von der Bevölkerung. Die Hochschulen schätzen meine Arbeit sehr. Glauben Sie mal nicht, dass ich jetzt richtig untendurch bin. Willi Lemke wird nicht abtauchen. Nur, wenn jetzt Bildung und Wissenschaft abgeschrieben würden, dann sag’ ich: Kinder, spielt alleine weiter. Aber das passiert nicht.

Sehen Sie mit Böhrnsen eine rot-grüne Dämmerung am Horizont?

Was 2007 ist, weiß kein Mensch.

Würden Sie auch unter Rot-Grün Bildungssenator bleiben?

Entscheidend ist, dass die Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen. Wenn es aber einen Paradigmenwechsel geben sollte, hin in die 70er- und 80er-Jahre, und nachher haben wir die schlechten Ergebnisse, das geht mit Willi Lemke nicht.

Was hat Jens Böhrsen, was Sie nicht haben?

Das kann ich nicht sagen. Da fragen Sie besser andere.

Warum hat er gewonnen?

Ich karte nicht nach, ich bin kein schlechter Verlierer. Aber die Stimmung danach ist etwas anders als das Wahlergebnis.

Man wollte Sie nicht als Bürgermeister, aber als Bildungssenator, meinen Sie?

Man wollte mich im Boot behalten. Ich habe das Gefühl, ich bin wichtig für die Bremer SPD, und ich bin auch sehr wichtig für sie im Hinblick auf die nächste Wahl. Interview: Armin Simon