Pumpen fürs Volk

Luftnummer Die Ausuferung der Luftpumpen-Szenerie korreliert mit der Veränderung der Parteienlandschaft. Eine gewagte These, aber beweisbar

Noch vor zwanzig Jahren war die Welt in Ordnung, weil einfach: Es standen vier oder fünf Parteien zur Wahl, darunter die sogenannten Volksparteien, und im Radladen gab es kaum mehr Luftpumpen zur Auswahl: Stand-, Rahmen- und Minipumpe.

Wer heute eine Partei oder Pumpe auswählen möchte, der wird vom Angebot fast erschlagen und ist ob der – bisweilen skurrilen – Spezialisierung nicht selten erschüttert. Was dem Wahlzettel die Bibeltreuen Christen, ist der Regalwand im Veloshop der unglaublich kleine und leichte CO2-Inflator, CNC-gefräst und mit abgewinkeltem „AirBooster“-Kopf.

Freilich, noch stellt die CO2-Kartusche für die etablierten Pumpen keine existenzielle Gefahr da. Dennoch mussten Stand-, Rahmen- und Minipumpe mächtig Federn lassen. Das lässt sich gut an der konservativen Rahmenpumpe zeigen. Ihr langer Kolben mit Feder macht sie sehr anpassungsfähig fürs Sitz- und Oberrohr des Rahmens – doch das eine fällt neuerdings immer kürzer aus, und das andere ist mittlerweile häufig gebogen. Konsequenz: Die traditionelle Pumpe passt nicht mehr zur Lebensrealität der Radler, sie wird abgewählt, verstaubt im Keller. Am Rad funkelt eine Minipumpe, mit dem Versprechen, neuen Wind in die Reifen zu bringen.

Ihr Problem ist, dass sie sich auf ein paar Kernthemen einschießt: Sie ist klein, kann hohen Druck liefern oder viel Volumen bewegen, manche hat einen Schlauch, um beim engagierten Pumpen das Ventil zu schonen. Mit dieser Spezialisierung punktet man auf einzelnen Sachgebieten, aber damit überzeugt man den Radler nicht ganz und gar. Ergo: Für jeden Einsatzzweck gibt’s eine Minipumpe: für Hochdruck oder Volumen, mit Manometer, Schlauch, Standfuß, Tele­skop, Universalkopf, Rahmenhalterung. Die Überschaubarkeit der Wirtschaftswunderjahre ist einer postmodernen Vielfalt gewichen. Verunsicherung herrscht. Welche Pumpe macht am besten Druck? Denn je kleiner die Pumpe, desto mehr Reibung im System bei voller Aktion. Das Ergebnis: heiße Luft und verbrannte Finger. Bei Parteien sorgt die Fünfprozentklausel für ein wenig Ordnung, im Radladen gibt es diese nicht. Auch den Wahl-O-Mat für Pumpen sucht man vergebens.

Es sind nicht nur andere Rahmenbedingungen, die vormals mächtige Pumpenmodelle zu Veränderungen zwingen. Auch neue Technologien nötigen ihnen längst überfällige Profilschärfungen ab. So verlangt die neue Schlauchlos-Technologie – in der Szene „tubeless“ – einen völlig neuen Aufbau der Standpumpe. Statt sich ohne Hast mit dem Befüllen des Reifens zu beschäftigen, muss die Tubeless-Pumpe erst im internen Reservoir Druck aufbauen und den dann blitzschnell an den Reifen abgeben, um ihn schlagartig zu füllen und somit abzudichten.

Auch beim Hochdruck kommen klassische Pumpen in Zugzwang: Heute sind viele Räder gefedert, in der Regel mit Luftfederung. Diese benötigen Pumpen mit Spezialkompetenz und Druck bis zu 20 bar. Da kann man die drei Pumpenklassiker vergessen. Also her mit neuen Konstruktionen! Die Dämpferpumpe zum Beispiel steigt massiv in der Gunst der Radler, sofern diese eine Federung pfleglich zu behandeln wissen.

Tja, und dann wächst auch noch die Zahl der Nicht-Pumper: Jene führen einen kleinen Adapter mit sich und können so einfach an der nächsten Tanke halten und sich vom Klassenfeind Autowirtschaft die Reifen füllen lassen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen oder gar ins Schwitzen zu geraten.

Ein großer Unterschied zwischen Pumpe und Partei ist allerdings erkennbar, wenn es um Fehlfunktion und Nichtgefallen geht: Für Pumpen gilt das verbraucherfreundliche Gewährleistungsrecht mit Nachbesserungspflicht für den Erzeuger und Wandlungsrecht für den Käufer. Das wünschte man sich auch für Parteien. Leon König