„Grenzwertige Vorwürfe“

Die Rechtsexperten der Parteien in Berlin kritisieren zwar die neuen Ermittlungen gegen das Magazin „Cicero“, aber nicht die Staatsanwaltschaft, die sie durchführt

Opposition und Regierungskoalition haben das Vorgehen gegen das Potsdamer Magazin Cicero kritisiert. „Das riecht nach einem Angriff auf die Pressefreiheit“, sagt Michael Braun, rechtspolitischer Sprecher der CDU. Und der Rechtsexperte der Linkspartei Klaus Lederer sieht „eine steigende Tendenz zur Beschneidung von Freiheitsrechten“. Dagegen will sich Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) „nicht in schwebende Verfahren einmischen“.

Seit dem Wochenende ermittelt auch die Berliner Staatsanwaltschaft gegen den Cicero-Autor Bruno Schirra (taz berichtete). Grund: Als Schirras Haus auf Geheiß des Bundesinnenministeriums durchsucht wurde, fanden die Potsdamer Ermittler nicht nur die gesuchten Geheimdienstakten. Sie nahmen auch kistenweise andere Dokumente mit, darunter auch solche aus dem Parteispenden-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Wegen dieses Zufallsfundes ermittelt nun auch die Berliner Staatsanwaltschaft. Der Vorwurf: Verrat von Dienstgeheimnissen.

„Ich vermisse die Sensibilität der Strafverfolgungsbehörden“, sagt Christoph Meyer, rechtspolitischer Sprecher der FDP. Mit vertraulichen Unterlagen zu arbeiten, gehöre zum Journalismus. Meyer kritisiert zudem Staatsanwaltssprecher Frank Thiel, der das häufige Arbeiten von Journalisten mit vertraulichen Papieren mit der weit verbreiteten Korruption im Baugeschäft verglichen hatte. „Solche Pauschalvorwürfe sind grenzwertig“, sagte Meyer. Thiel hingegen sagt, er habe nur gemeint, „dass die Häufigkeit eines Sachverhaltes nichts über seine Strafbarkeit aussagt“. Und Journalisten, „die zum Verrat von Dienstgeheimnissen anstiften“, müssten mit Strafverfolgung rechnen.

Im Gegensatz zu FDP-Mann Meyer tun sich die anderen Rechtsexperten mit direkter Kritik an der Staatsanwaltschaft schwer. „Bei einem Anfangsverdacht muss man dort aktiv werden“, sagt Volker Ratzmann (Grüne). CDU-Experte Braun sieht die Schuld bei Schily, der „diese Sache nach Berlin weitergegeben“ habe.

Wer nun ursprünglich Schuld hatte oder nicht, für Cicero-Chefredakteur Wolfram Weimer ist die Angelegenheit ein „unglaublicher Vorgang“. Wie ein Journalist da noch seine Informanten schützen solle, sei ihm ein Rätsel.“ DAS