Die Wahrheit: DJane Hexe und die jungen Hüpfer
Am Plattenteller steht eine uralte Dame und erinnert sich vage an die vielen vergangenen Generationen auf der Tanzfläche des Lebens.
F alls ich auf meine alten Tage noch mal lesbisch werden und mit meiner Partnerin ein DJane-Duo aufmachen sollte, würde ich mich „DJ Butch Cassidy and the Femmedance Kid“ nennen und damit für einen Auftritt bei Ellen DeGeneres vorsprechen. Mein üblicher DJ-Duo-Name „DJ Baby Blocksberg und die Muhme Rumpumpel“ ist zwar genial, aber ich hätte nie erwartet, dass derart viele Menschen die Muhme Rumpumpel nicht mehr kennen und denken könnten, ich sei eine komische alte Hennafrau mit Hexenfimmel.
DJ-Namen sind eben auch nicht mehr das, was sie mal waren. Das DJ-Sein ist es ohnehin nicht. Kein Mensch fragt einen mehr nach Songs, weil bei Interesse eh mit der passenden App selbst nachgeguckt wird. Dabei könnte man doch durchaus heimlich recherchieren – am besten auf der Toilette, das leuchtende Blau der Musikerkennungsapp verrät einen in der dunklen Spelunke ansonsten sofort. Und dann mit einem wissenden Lächeln auf mich zukommen und sagen: „Das gibt’s nicht, ‚Hahaha‘ von Flipper, lange nicht mehr gehört!“ Oder „Wow, ist das etwa die ‚Never say Never‘-Version von Queens of the Stone Age? Dass du das spielst, toll!“ Stattdessen verzweifelt man, so eine alte DJ-Mär, an Menschen, die sich „Das Topmodel“ von Kraftwerk wünschen.
Aber genug gejammert. Bald übernimmt endlich die Generation Y, darauf freue ich mich schon. Die kriegen das hin, und wenn nicht, unterstützen sie sich gegenseitig in Selfie-Selbsthelfiegruppen. Apropos: Ein Freund von mir schwört, er habe beim Autofahren in Kalifornien vor Jahrzehnten mal eine trampende Punkfrau mitgenommen, die beim Einsteigen gesagt habe: „Can you take me to the suicide prevention center? And make it quick please!“
Leider kann er sich nicht entsinnen, wie die Geschichte ausging, für mich ein relativ klarer Hinweis darauf, dass er sich das alles nur – vielleicht im Zuge eines Hiwi-Jobs als Autor für einen unbekannten Stand-up-Comedian – ausgedacht hat. Denn wenn man schon suizidale Punketten durch die kalifornische Sonne kutschiert, dann bleibt man doch wohl auch am Ball!
Der Freund kann sich allerdings generell an jene Zeit nicht mehr richtig erinnern – er gehört nämlich zur Generation A, eine meiner Lieblingsgenerationen. Neulich rutschte ihm, als wir in launiger Runde zusammensaßen und tote Musiker zählten, heraus: „David Bowie, ja, ja, der ist jünger als ich. Aber wer ist das nicht.“
Für Generation A sind sämtliche anderen Menschen junge Hüpfer. Ein Generation-A-Mitglied fragt einen vor dem Geldautomaten, ob man so nett sein könnte, für ihn die PIN-Nummer einzugeben. Oder bittet einen, ihm ein Handy zu leihen, um per Telefongespräch (!) Bescheid zu geben, dass er gut angekommen sei. Oder setzt sich im Zug auf einen reservierten Platz, weil er die Waggonzahlen nicht finden konnte. Eine süße Generation, die viel mehr kommunizieren musste als alle nachfolgenden. Dass sie das darum besser beherrscht, davon kann übrigens dennoch nicht die Rede sein.
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