Mit Thärichens Tentett und Wenzels Seitenprojekt gibt es zur Abwechslung mal professionelle Musiker zu hören

So eine solide Ausbildung hat schon ihre Vorteile. Gutes Handwerk mag in der populären Musik ja bisweilen einen unverdient schlechten Ruf genießen, aber manches Ensemble ist gerade deshalb in der Lage, altbekannten Genres neue Seiten abzugewinnen. Das gelingt Thärichens Tentett auch auf dem vierten Album „Farewell Songs“. Die Band um Pianist Nicolai Thärichen erkundet wieder nahezu alle Subkategorien des Jazz, ohne sich auf das eitle Demonstrieren instrumentaler Fertigkeiten zu beschränken. Das kann zwar ganz schön schmalzig werden, wie in „On Being A Woman“, begibt sich dann aber schnell weiter in die angrenzende Parodie. Denn vor allem mit Ironie begegnet Thärichen all jenen Momenten, in denen das Tentett droht in ausgelutschte Jazz-Klischees abzudriften. Die Gefahr ist deshalb gegeben, weil sich seine Band nun mal aus renommierten Instrumentalisten zusammensetzt. Die können eben in „This Time“ eine wohl temperierte Jazz-Ballade nachstellen, als wären sie allesamt im Herbst in New York geboren worden, gleich anschließend in „Unadored“ einen zackigen Funk-Rhythmus auspacken oder in „I Can See It In Your Eyes“ die sinnentleertesten Zeiten des Free Jazz wiederbeleben. Aber immer scheint im letzten Moment, gerade eben, bevor sich das Stück seiner vorgesehenen Bestimmung zu ergeben scheint, ein kleines Detail nicht zu stimmen, eine Stimmung sich zu verschieben, ein Ton einen Augenblick zu lang falsch in der Luft zu hängen. Und wenn das alles nicht hilft, dann ist da immer noch die Stimme von Michael Schiefel: Der interpretiert, wie man es von Thärichen kennt, Gedichte seiner Lieblingsautoren wie Dorothy Parker oder Ronald D. Laing. Dabei durchschreitet Schiefel ein solch erstaunliches Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten, dass man allzu oft nicht weiß, ob da ein Mann oder eine Frau singt. Noch so eine Methode, den Hörer dort abzuholen, wo er es nicht unbedingt erwartet.

Eine Kunst, die auch Hans-Eckardt Wenzel beherrscht. Gelten dessen Lieder doch gemeinhin als nicht so recht einzuordnen, doch auf jeden Fall intellektuell schwer ernst zu nehmen. Andererseits aber offenbart Wenzel immer gern mal eine derbe, zur Zote neigende Seite. Die kommt vor allem auf der Bühne zum Vorschein, am deutlichsten beim Open-Air-Auftritt im Hafen von Kamp am Stettiner Haff. Dort spielen Wenzel und Band schon seit Jahren jeden Sommer einmal zum Tanz auf und für diesen Anlass hat er eigens Songs mit gänzlich anderen Ansprüchen geschrieben, die nun auf „König von Honolulu“ erstmals herauskommen. Hier regiert zwar vornehmlich und aufs alleramüsanteste der Reimzwang („Denn in der Taiga / Gibt’s wenig Weiber“), werden aber auch ernste Themen abgehandelt wie sexuell problematisch platzierte Tätowierungen („Arschgeweih“), die Gefahren unübersichtlicher Steuererklärungen („Der Fiskus“) und das erotische Potenzial fernöstlicher Ernährung („Kleine Peking Ente“), während vom Shanty bis zum Balkanblues alles gespielt wird, wozu man seine Liebste übers Parkett schieben kann. THOMAS WINKLER

■ Thärichens Tentett: „Farewell Songs“ (Traumton/Indigo), Record Release Party: 3. 12. Quasimodo

■ Wenzel: „König von Honolulu“ (Matrosenblau/Indigo), live am 28. 11. im Kesselhaus