: Scheunen zu Konzertsälen
JUBILÄEN Während das 30. Schleswig-Holstein Musik Festival dem Komponisten Joseph Haydn eine Retrospektive widmet, steht beim 25. MDR-Klassik-Festival das vokalsinfonische Monumentalwerk „Auferstehungssinfonie“ von Gustav Mahler im Mittelpunkt
Von Ansgar Warner
Wer den Sommer jenseits der großen Metropolen verbringt, muss auf eine Portion Klassik nicht verzichten. Denn auch in der Saison 2016 locken zahlreiche Veranstaltungen auf dem Land Musikfans mit hochkarätigen Events, oft auch mit Open-Air-Flair.
Besonderes Augen- und Ohrenmerk verdient diesmal Nordelbien, denn das renommierte Schleswig-Holstein Musik Festival feiert ab Anfang Juli 30-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass widmet man dem Komponisten Joseph Haydn eine umfangreiche Retrospektive – unter Betonung regionaler Bezüge: Wichtige musikalische Anregungen, so Festivaldirektor Christian Kuhnt, habe der Bahnbrecher des Streichquartetts und der Sinfonie vom Carl Philipp Emanuel Bach empfangen, dem „Hamburger Bach“. Die Affinität zum Norden belege auch die Tatsache, dass Haydns Oratorien „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“ kurz nach ihrer Uraufführung auch in der Hansestadt präsentiert wurden.
Insgesamt 32 Events mit Haydn-Klängen bietet das Programm, das regional die gesamte Spannbreite von Bad Schwartau bis Flensburg, von Fehmarn bis Föhr umspannt. Zu den Highlights gehört das spektakuläre Konzertwochenende „The Big Seasons“(Rendsburg-Büdelsdorf, 16. u. 17. 7.) mit dem kompletten Zyklus „Die Jahreszeiten“ und einem Auftritt von Gaststar Klaus Maria Brandauer als Haydn- und Goethe-Rezitator. Außergewöhnliche Konzerte hat aber auch Pianist Sir András Schiff für den Festivalsommer ersonnen. Zehn Abende gestaltet er unter anderem in Husum, Itzehoe und Kiel, dabei spannt der gebürtige Ungar einen Bogen von Bachs „Goldberg-Variationen“ bis hin zum gewaltigen Klavierquintett von Mieczysław Weinberg.
Herzstück des Schleswig Holstein Musik Festivals sind traditionell die „Musikfeste auf dem Lande“, die an mehreren Wochenenden Scheunen zu Konzertsälen und Schlossparks zu Picknick-Paradiesen machen, etwa in den Gutsanlagen Stocksee (16. u. 17. 7), Wotersen (23. u. 24. 7) oder Hasselburg (30. u. 31. 7). An letzterem Ort übrigens als „Musikfest op platt“ moderiert von Ines Barber (NDR). Auf Familienfreundlichkeit wird bei den musikalischen Landpartien ebenfalls Wert gelegt: Die Sprösslinge werden während der Konzertnachmittage in der „Kindermusikwerkstatt“ betreut, dort wird gesungen, getrommelt, gemalt und zum Abschluss ein kleines Programm für die Großen dargebracht.
Grund zum Feiern hat 2016 aber nicht nur der NDR, sondern auch der MDR. Das Klassik-Festival des Mitteldeutschen Rundfunks startete kurz nach der Wiedervereinigung und findet nun bereits zum 25. Mal statt. Gleich zum Auftakt am 25. Juni laden die MDR-Ensembles in der Dresdner Kreuzkirche zu Gustav Mahlers „Auferstehungssinfonie“ ein, dirigiert von Kristjan Järvi. Mit diesem vokalsinfonischen Monumentalwerk des bedeutenden Spätromantikers war 1991 auch das erste MDR-Klassik-Festival eröffnet worden.
Vor der beeindruckenden Kulisse der alten Talsperre in Tambach-Dietharz tritt am 7. August Stardirigent Justus Frantz mit seiner „Philharmonie der Nationen“ an, auf dem Programm stehen Ludwig van Beethovens 5. und 6. Sinfonie („Pastorale“). Vorausgesetzt, es regnet nicht, denn bei diesem Konzert gilt: open air only.
Weitere Events des MDR-Musiksommers führen an so unterschiedliche Veranstaltungsorte wie die Rotkäppchen-Sektkellerei nach Freyburg (13. 8.: Rebekka Bakken singt Tom Waits), auf die Wartburg (23. 7.: Violinwerke von Bach mit Midori) oder in die Dresdner Frauenkirche (27. 8.: Orpheus-Mythos, Capella Gabetta).
Wer es romantisch liebt, wird in heißen Sommernächten auch in der „Festspielstadt Feuchtwangen“ gut bedient. Die mittelfränkische Kleinstadt nutzt die malerische Kulisse ihres alten Kreuzgangs am Marktplatz für Theaternächte und Konzerte unter freiem Himmel. In dieser Saison sind etwa Volksliedbearbeitungen von Johannes Brahms zu hören (Christian Karg, Sopran; Mauro Peter; Tenor, Helmut Deutsch, Klavier), das norwegische Feenmärchen „Peer Gynt“ mit Texten von Henrik Ibsen und der Schauspielmusik von Edvard Grieg (Christiane Karg, Sopran; Gerold Huber, Klavier; Achim Konrad, Rezitation), sowie Flötenmusik von Debussy, Ferroud, Jolivet und Koechlin (Clara Andrada de la Calle, Solistin).
Musikalisch mögen es auch die Moselfranken in der heißen Jahreszeit: Zum „Sommer unseres Vergnügens“ lädt das diesjährige „Moselmusikfestival“ ein, das regional von Koblenz bis kurz vor Schengen reicht. Zu den akustischen Leckerbissen gehört die Aufführung von Bruckners achter Sinfonie, auch die „Apokalyptische“ genannt, am 17. Juli im Trierer Dom, der ältesten Bischofskirche Deutschlands.
Lohnen dürfte sich auch der Weg in den Barocksaal des Klosters Machern in Bernkastel-Wehlen: Dort gastiert am 21. Juli das Avi Avital Trio mit Mandoline, Akkordeon sowie Trommel und präsentiert Musik von Béla Bartók bis Ernest Bloch und Johann Sebastian Bach.
Apropos: „Bach am Bach“ heißt es am 8. August im Landhaus St. Urban in Naurath/Wald, während draußen ein Bachlauf namens Dhron plätschert, klimpert drinnen am Flügen Klavier-Wunderkind Laetitia Hahn.
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