: Altlasten sanieren mit der Methode Nichtstun
Das Forschungsprojekt Kora will herausfinden, ob sich verseuchte Grundstücke nicht einfach selbst reinigen können
BERLIN taz ■ Öl, Arsen und Säuren: Tankstellen, Reinigungen und andere Gewerbegebiete haben zahlreiche Altlasten hinterlassen. Ihre Beseitigung ist allerdings teuer. So wurden in Brandenburg erst 15 Prozent der altlastenverdächtigen Objekte erfasst. Davon saniert wurden lediglich 12 Prozent – das bedeutet umgerechnet, dass überhaupt erst 0,8 Prozent aller Verdachtsflächen gereinigt sind.
„Die Situation ist in den anderen neuen Bundesländern ähnlich“, sagt Sabine Hahn, die den Bereich Altlasten im Potsdamer Umweltministerium leitet. Denn es koste bereits „eine vier- bis fünfstellige Summe“, um überhaupt zu bewerten, ob eine Verdachtsfläche tatsächlich gefährliche Altlasten aufweist. Bundesweit sind 360.000 Flächen verdächtig.
Aber es gibt auch Hoffnung: Könnte es nicht sein, dass die Natur sich selbst reinigt, wenn man sie nur lange genug mit den Giftstoffen allein lässt? Dies will die Forschungsgruppe Kora herausfinden, die von der Bundesregierung mit 20 Millionen Euro über sechs Jahre gefördert wird. „Kora“ steht für „kontrollierter natürlicher Rückhalt und Abbau von Schadstoffen bei der Sanierung kontaminierter Grundwässer und Böden“. Deutschlandweit laufen 60 Studien.
Denn die bisherigen Methoden sind sehr unbefriedigend. Wenn überhaupt eine Altlastfläche saniert wird, dann meist durch simplen Abtransport: Der Sachverständigenrat für Umweltfragen geht davon aus, dass etwa 70 Prozent der kontaminierten Böden unbehandelt auf Deponien abgelagert werden. Nur etwa 30 Prozent landen in Bodenreinigungsanstalten.
Allerdings ist die „natürliche Altlastenbeseitigung“ umstritten. Denn die Böden könnten noch giftiger werden, wenn man die Natur sich selbst überlässt, sagt Jochen Michels, der das Kora-Projekt koordiniert. „Besonders problematisch sind Explosionsstoffe.“ TNT beispielsweise werde im Boden mikrobiologisch in teilweise noch unbekannte Verbindungen umgesetzt. „Bei Mineralölen und Kohlenwasserstoffen funktionieren natürliche Abbauprozesse aber gut.“
Um die Gefahren abzuschätzen, will Kora eine Simulationssoftware entwickeln, mit der vorausgesagt werden kann, wie sich verschiedene Schadstoffe bei einer bestimmten Bodenbeschaffenheit verhalten. So ließe sich bei Grundstücken abschätzen, ob es notwendig ist, die verschmutzte Erde auszubaggern, oder ob auf natürliche Prozesse vertraut werden kann.
„Es ist allerdings nicht möglich, einfache Aussagen zu treffen.“ Bei Bauschutt könne man zwar davon ausgehen, das Sulfat im Boden zur Verfügung stehe. Das sei nützlich, um mikrobiologische Abbauprozesse zu fördern. Aber Verallgemeinerungen nach dem Motto „Weil hier Bauschutt liegt, ist alles easy“ seien nicht möglich. Ein Ergebnis der Forschungen stehe schon fest: „Zu sagen, es gibt jetzt Kora, also können wir alles liegen lassen, geht nicht.“
ANNETTE LEYSSNER
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