Wer nicht kürzt, der spart

KÖNIGSRECHT Während die CDU auf die Möglichkeit verzichtet, versuchen FDP und Linke Bremen über die Haushaltsgesetze mitzugestalten – mit gegensätzlicher Tendenz

Wer wenig hat, muss länger zählen: Knete Foto: Ann-Kathrin Just

von Benno Schirrmeister

Am Bequemsten macht es sich die CDU: FDP-Fraktion und Die Linke und sogar das rot-grüne Regierungslager haben fleißig fast 200 Einzeländerungsanträge formuliert. Sie werden damit die Beratungen des Haushalts- und Finanzausschusses kommende Woche zu einem erheblichen Konditionstest machen. Die größte Oppositionsfraktion jedoch gefällt sich in einer fundamentalistischen Pose: Als hätte sie Theodor W. Adornos „Minima Moralia“ für sich entdeckt – und missverstanden – wird sie nur einen Pauschal-Antrag zum Doppelhaushalt 2016/17 ins Parlament einbringen. Einzelanträge: keinen.

Es gibt kein richtiges Leben im Falschen heißt bei den Christdemokraten: „Durch Änderungsanträge allein ließen sich die systematischen Mängel, die sich durch alle Bereiche der Haushaltsentwürfe ziehen, nicht korrigieren.“ Die „grundlegend falsche Schwerpunktsetzung“ lasse sich „nicht durch eine Veränderung einzelner Haushaltsstellen heilen“.

Dabei ist Haushaltsgesetzgebung das Werkzeug, mit dem das Parlament das Gemeinwesen am meisten gestalten kann. Es nicht zu nutzen, kommt einem Politikverzicht gleich. Den könnte die FDP-Fraktion als Argumentationshilfe für ihren Antrag verwenden, bis 2018 die gesetzliche Diäten-Erhöhung auszusetzen, was 650.000 Euro sparen würde. Das ist zu betonen, weil der Effekt bei vielen der 97 liberalen Änderungsanträge so klar nicht ist. Und statt zu behaupten, sie hätte mit denen „mal eben 200 Millionen Euro gespart“, müsste die Liberalen-Fraktion daher richtigerweise sagen, dass sie „mal eben 200 Millionen Euro gekürzt“ hat – ob’s was bringt, oder nicht. Und sogar: Koste es, was es wolle. Denn einige Anregungen kämen Bremen teuer: So schlägt die FDP vor, das Beschäftigungspolitische Aktionsprogramm (BAP) von vier Millionen auf Null zu setzen. Dass Bremen, weil es diese vier Millionen Euro aufwendet, elf Millionen aus dem Europäischen Sozialfonds erhält, würde die Kürzung selbst dann zum Verlustgeschäft machen, wenn das BAP keine Effekte hätte.

Die Linksfraktion verfolgt einen komplett gegensäztlichen Ansatz. Bremen sei, so deren Finanzpolitiker Klaus-Rainer Rupp am Montag, in einer prekären Lage. Neben der Herausforderung durch die rund 15.000 Geflüchteten, müsse das Land sein Armutsproblem aktiv angehen. Hier habe die Koalition versagt. „Das Versprechen, die soziale Spaltung zu überwinden, hat Rot-Grün nicht eingelöst“, so Rupp.

Dabei würden Bremens soziale Schulden auch ökonomisch verheerend wirken. Die Armut koste „nicht weniger als ein weiterer 30 Milliarden-Kredit“; das indiziere der Sozialhaushalt. Zugleich gebe es einen Sanierungsstau bei Straßen und Gebäuden. Am Ende stiegen dadurch die Reparaturkosten – die, das stehe zu befürchten, unter den ab 2020 geltenden Bedingungen der Schuldenbremse gar nicht mehr vom Staat in Angriff genommen werden könnten. Trotzdem habe die Fraktion den Haushaltsentwurf geflöht. „Wir können präzise sagen: an welchen Stellen es zu wenig ist“, so Rupp. Auf 240 Millionen Euro weitere Ausgaben sei man gekommen, „und nichts davon ist ‚Schöner Wohnen‘“.

„Wir haben da mal 200 Millionen Euro gespart“

Behauptung der FDP-Fraktion

Die Linksfraktion erwartet, dass Bremen angesichts der aktuellen Niedrigzinssätze 25 Millionen Euro jährlich durch Zins-Swapping sparen könnte. Dann wären, so Rupps Kalkül, die geforderten zusätzlichen Ausgaben 2016 gegenfinanziert, und „damit hielte Bremen in diesem Jahr die Vorgaben der Sanierungsvereinbarung ein“. Zugleich müsse das Land diesen Kurs aber 2017 verlassen, auch um den Preis des Verzichts auf die jährlich 300 Millionen Euro Bundesbeihilfen. „Man richtet sonst einen Schaden an, der nicht wieder gut zu machen ist“, so Rupp.

Von der Tendenz her decken sich die Änderungswünsche von der Linken mit denen des Regierungslagers: Wie die Linke haben gestern auch SPD und Grüne gefordert, die Zielzahl bei der Polizei auf 2.600 Angestellte zu erhöhen, was einen historischen Höchststand bedeuten würde. Ebenso halten die Koalitionäre es für nötig, LehrerInnen einzustellen. Doch wo Rot-Grün 56 zusätzliche Stellen will, hält Die Linke den Bedarf für mehr als zehnmal so hoch: Sie fordert 576 neue Vollzeitstellen, und 100 statt 50 weiterer Referendariatsplätze.

Um Migrations- und Armutsfolgen in der Schule zu bewältigen, sei oft Doppelbesetzung geboten, erläutert die Fraktionsvorsitzende Kristina Vogt: „Wir haben einen starken Zusammenhang zwischen Bildung und Armut.“ Der habe sich in den vergangenen 30 Jahren verfestigt. Bremen brauche deshalb „in den benachteiligten Stadtteilen eine aufholende Entwicklung“.