Zehntausende sitzen in Falludscha fest

Irak Beim Ansturm der Regierungstruppen auf die IS-kontrollierte Stadt gibt es keine Rücksichtnahme

Der Kampf um Falludscha wird unter Einsatz aller Mittel geführt Foto: ap

BEIRUT/DAMASKUS afp/dpa | Erst­mals seit Beginn der ­irakischen Armeeoffensive auf die Dschihadisten-Hochburg Falludscha sind Eliteeinheiten auf die belagerte Stadt vorgerückt. Die Anti-Terror-Einheit CTS, die ­Polizei der Provinz Anbar sowie Stammeskämpfer seien in zwei Lagern südlich und östlich von Falludscha versammelt und könnten noch „in den nächsten Stunden“ in die Stadt einrücken, sagte Kommandeur Abdelwahab al-Saadi am Samstag.

Die irakische Armee versucht seit Montag mit der Unterstützung verbündeter Milizen und von Kampfflugzeugen die Stadt rund 50 Kilometer westlich von Bagdad aus den Händen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zurückzuerobern. Wer die Flucht wagt, riskiert, von den Dschihadisten getötet zu werden.

US-Militärsprecher Steve Warren sagte angesichts der Bombardierungen, US-Flugzeuge hätten Flugblätter abgeworfen, in denen Zivilisten aufgefordert werden, Gegenden mit IS-Präsenz zu meiden. Wer nicht fliehen könne, solle ein weißes Tuch auf seinem Hausdach anbringen. „Die irakische Armee versucht, Fluchtwege zu schaffen. Die Regierung der Provinz Anbar hat Lager für Vertriebene errichtet“, sagte Warren.

Zehntausende Bewohner saßen weiter in der belagerten Stadt fest. Zwar gelang am Freitag Hunderten Bewohnern die Flucht aus der belagerten Stadt, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, doch leben noch immer rund 50.000 Zivilisten in Falludscha.

Die Situation in Falludscha werde „täglich schwieriger“, warnte der Irak-Direktor der Norwegischen Flüchtlingshilfe, Nasr Muflahi. Die Bewohner ganzer Viertel seien ‚„in die Kampfzone getrieben worden, ohne sicheren Fluchtweg“. Schon vor Beginn der Offensive fehlte es den Bewohnern Falludschas an Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten. Die Stadt war Anfang 2014 von sunnitischen Regierungsgegnern übernommen worden, bevor sie an die IS-Miliz fiel.

Die US-geführte Militärkoalition tötete unterdessen nach eigenen Angaben bei Luftangriffen 70 IS-Kämpfer, unter ihnen der örtliche Kommandeur Maher al-Bilawi. Sein Tod werde nicht zu einem Ende der Kämpfe führen, doch versetze er den Dschihadisten „einen Schlag“, sagte der US-Militärsprecher Warren. Ein Nachfolge für den getöteten Kommandeur stehe schon bereit.

IS-Milizen stürmen Marea

In Syrien haben unterdessen Kämpfer der Dschihadistenmiliz IS die Außenbezirke einer der letzten beiden Rebellenstädte nördlich von Aleppo in Syrien gestürmt. Die Dschihadisten hätten am Samstag die Verteidigungsanlagen der Stadt Marea überrannt, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.

„Das gesamte Gebiet rund um Asas ist komplett unsicher“

Marea – etwa 20 Kilometer südlich der türkischen Grenze gelegen – ist neben Asas die einzige größere Stadt, die in der Enklave noch von Rebellen kontrolliert wird. Das Rebellengebiet grenzt im Osten an den Herrschaftsbereich des IS und im Westen an Kurdengebiete.

Erst kürzlich war der IS in das strategisch wichtige Gebiet vorgerückt. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) flohen Zehntausende vor den Dschihadisten und sind nun in der Region um Asas eingeschlossen. Den Rebellen droht dort ein totaler Zusammenbruch. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und HRW gehen von 165.000 Vertriebenen aus, die rund um Asas Zuflucht gesucht haben. „Das gesamte Gebiet um Asas ist komplett unsicher und Tausende Zivilisten und Hunderte Helfer sind in die Konfliktzone geraten“, sagte Karl Schembri vom Norwegischen Flüchtlingsrat (NRC).