Bremen mit neuer Senatsbaudirektorin

PERSONEN Die Professorin und Inhaberin eines Büros für Stadtentwicklung, Iris Reuther, wird Nachfolgerin von Franz-Josef Höing und damit oberste Vordenkerin für Bremens Architektur und Stadtplanung

Nein, bewerten will sie Bremens Bauten nicht. Beharrlich weigerte sich gestern Bremens neue Senatsbaudirektorin Iris Reuther bei ihrer Vorstellung durch Bausenator Joachim Lohse, ihre Meinung kundzutun. Über die Überseestadt beispielsweise. Statt zu sagen, wie sie den neuen Stadtteil findet, lobte sie die Funktion von Architektur-Wettbewerben und wies darauf hin, dass auch historische Bauten zu ihrer Zeit als gleichförmig empfunden worden sein mochten.

Dabei bringt Reuther, die den im September nach Köln gewechselten Franz-Josef Höing ersetzt, alle Voraussetzungen mit, fachkundige Urteile zu sprechen. Die „Favoritin im gesamten Bewerbungsverfahren“, wie Lohse es gestern ausdrückte, studierte zunächst Architektur in Weimar und beschäftigte sich zunehmend mit Stadtplanung. 1992 gründete sie in Leipzig das Büro für urbane Projekte, das sich vor allem mit Stadtumbaukonzepten beschäftigte. Seit 2004 ist die 1959 im thüringischen Mühlhausen Geborene außerdem Professorin für Stadt- und Regionalplanung an der Universität Kassel.

An ihrem neuen Job als Senatsbaudirektorin interessiere sie daher nicht nur die Bauten, sondern „die verschiedenen Dimensionen von Stadt“, also auch die Menschen, die in dieser leben, die Verbindung von Stadtplanung mit Kultur, Bildung und Sozialem. Ausdrücklich und mehrmals erwähnte sie die Notwendigkeit, sich an den Klimawandel anzupassen, beziehungsweise durch Gebäudesanierungen Emissionen weiter zu senken.

Die Bekanntschaft mit der Stadt Bremen bezeichnete Reuther als „Liebe auf den ersten Blick“. Sie schätze das Hanseatische, das sich auch in der Architektur und den städtischen Räumen zeige. Was sie damit meine? „Den Weitblick, nicht sehr viel Schnickschnack, bestimmte Maßstäblichkeiten.“

Weil sie eine Nachfolge für ihr Leipziger Unternehmen finden muss, kann Reuther erst im Frühjahr 2013 ihre Stelle antreten. Und dann wartet vor allem eine große Aufgabe auf sie: Der Umbau der Innenstadt, der mit einem neuen Gebäude am Ansgarikirchhof beginnen soll.

Zu der Frage, wie verhindert werden kann, dass die Mieten in den innerstädtischen Stadtteilen weiter sprunghaft ansteigen, konnte sie nichts sagen. Laut Bausenator Lohse hat Bremen weniger Probleme als andere Großstädte, in denen die Mieten bereits jetzt überteuert seien. Es gehe nur darum, „die Angebotsverengung zu entspannen“. Zu diesem Zweck hat Bremen 30 Baugebiete benannt und will dafür sorgen, dass dort in den nächsten Jahren 3.700 neue Wohnungen entstehen, zu einem Viertel mit Mietpreisbindung.

Laut einem Bericht des Bundesbauministeriums zur Mietpreisentwicklung in Deutschland verzeichnete Bremen im Jahr 2011 mit 8,8 Prozent die bundesweit zweithöchste Steigerungsrate bei Neu- und Weitervermietungen. In Berlin lag sie bei 7,4 Prozent, in Hamburg bei 7,5 Prozent und in Greifswald bei 10,4 Prozent. Allerdings stiegen die Preise in Bremen von einem niedrigeren Niveau.  EIB