LeserInnenbriefe
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

„Bleibt bei der Wahrheit“

Rechtspopulismus Der FPÖ-Erfolg in Österreich zeigt, dass die Rechte auch im Westen nach der Macht greifen kann. Die Linke ist sprachlos

Verlor die Präsidentschaftswahl: FPÖ-Kandidat Norbert Hofer Foto: reuters

Politik ändern

betr. „Die trostlose Avantgarde“, taz vom 24. 5. 16

Wie ist sie in diese Lage gekommen? Eine Politik, die angetreten war, durchzuregieren (an den Verlierern vorbei), und sich zum Ziel gesetzt hat, unsere Demokratie marktkonform zu gestalten, darin für Europa Maßstäbe setzt und „erfolgreich“ ist, diese Politik zeigt Ergebnisse. Da diese Politik erfreulich unaufgeregt administriert wird, danken die Wähler für diese Ruhe mit Zustimmung und merken nicht, was aus dem Ruder läuft. Schwache sozialdemokratische Parteien in ganz Europa können dem nicht Paroli bieten, so sie es wollten. Passt zu dieser Gesellschaft, die Schwache fallen lässt, noch die Demokratieform „one man, one vote“?

Für den FPÖ Kandidaten stimmten 49,7 Prozent, die Arbeiter zu 86 Prozent. In Deutschland zählen wir 17 Prozent Arme, nicht dabei die Aufstocker, die Prekären und Abstiegsgefährdeten. So schlittern wir auf FPÖ/AfD/Front-National-Vorstellungen zu. Wenn wir Demokratie behalten wollen, müssen wir die Politik ändern, ändern in Richtung Volkswohl. Soziale Marktwirtschaft ist uns geläufiger, auch wenn der trostlosen Avantgarde der Wille und die Mittel dazu fehlen. Der Wille zu Erbschafts, Kapital- und Tobinsteuer fehlt und damit fehlen die Mittel, europaweit. Die Liste der Unternehmenseigner will Herr Schäuble nicht veröffentlicht sehen. Die Mittel für mehr Gerechtigkeit sind grundsätzlich da – noch. Sie werden fehlen bei der Bewältigung der drohenden größeren Katastrophe, die mit dem Klimawandel folgt.

Der Klimawandel wird auch von den Grünen, wie zuvor das Soziale von den Sozialdemokraten, nicht konsequent genug thematisiert, obwohl er mit naturwissenschaftlicher Stringenz fortschreitet. Stattdessen wird die Energiewende von der CDU abgebremst, von der AfD gar geleugnet. KLAUS WARZECHA, Wiesbaden

Nicht wundern

betr.: „Die trostlose Avantgarde“, taz.de vom 24. 5. 16

Der Kommentar fängt recht gut an, analysiert die rechtsextremistischen Strömungen in Österreich, die ja keineswegs so neu sind, überwiegend stimmig, um dann erstaunlicherweise einem angeblichen „linksliberalen Tunnelblick“ zum Schluss die Schuld und Verantwortung für diese Entwicklung zu geben. Leichter kann man es rechtsextremen Demagogen nun wirklich nicht mehr machen. Da braucht sich der Autor auch gar nicht über immer größere Wellen des Hasses auf Minderheiten zu wundern.

RAINER B. taz.de

Wütend gemacht

betr.: „Die trostlose Avantgarde“, taz.de vom 24. 5. 16

Neid auf „die da oben“? Müsste ich eigentlich haben, wenn man sieht, wie teilweise dilettiert wird. Elbphilharmonie, Berlin-Flughafen, Drohnen, die nicht fliegen dürfen, wir werden ausspioniert, aber nicht geschützt und so weiter.

Ich möchte hier nicht für andere sprechen, aber mich macht wütend, dass man uns in den langen letzten Jahren zurief: „Kein Geld, gibt nix!“ Sozialen Wohnungsbau können wir uns nicht leisten!

Jetzt sind bis 2020 über 90 Mil­liar­den Euro da, und das ist nur der Anteil des Bundes.

ALBERT ANDERS, taz.de

Subtil falsch

betr.: „Die trostlose Avantgarde“, taz.de vom 24. 5. 16

Sehr interessant, wie viele der verwendeten Begriffe subtil falsch liegen:

„Neid auf ‚die da oben‘ “:

Man muss nicht neidisch auf materiellen Besitz sein, um zornig auf die zu sein, die immer mehr wollen, auf Kosten der anderen, sagen wir mal 80 Prozent, der Umwelt, des sozialen Zusammenhalts. Und auf ihre Steigbügelhalter in der Politik, die eben nicht Konflikte „technokratisch ausbalancieren“ und alternativlose Sachpolitik“ betreiben, sondern ideologisch gelenkt immer in die gleiche Richtung drücken.

„Modernisierungsgewinner versus -verlierer“: Am Neoliberalismus: ist bis auf die Vorsilbe nichts modern – ganz im Gegenteil ist das ein Rückfall in vorkeynesianisches Denken und die „Schattenseiten [. . .] des digitalen Kapitalismus“ sehen doch arg wie die des frühen industriellen Kapitalismus aus; insofern wäre es vielleicht sinnvoller, den Kapitalismus als Problem zu benennen.

Und ja, das verlangt dann auch den Willen zum Konflikt und zum Klassenkampf, den sich Sozialdemokraten und Grüne abgewöhnt haben.

Und solange es keine Linken gibt, die den Feind klar benennen, bieten die Rechten halt Sündenböcke an.

BIGRED, taz.de

Unglaubwürdig

betr.: „Die trostlose Avantgarde“, taz.de vom 24. 5. 16

Es ist klar, dass jetzt die Suche nach Ursachen verstärkt einsetzt – und das ist auch gut so.

Wie im Artikel ausgeführt, existieren mit Sicherheit eine ganze Palette von Gründen, die als Erklärung in Betracht gezogen werden müssen. Ich möchte an dieser Stelle nun einen weiteren Aspekt hinzufügen: Die Glaubwürdigkeitsprobleme der etablierten Parteien.

Beispiel: Im Herbst letzten Jahres wurden sowohl regierungsamtlich als auch seitens aller möglicher „Experten“ geradezu fantastisch positive Auswirkungen des Zustroms an Flüchtlingen auf alle unsere Sozialsysteme prognostiziert. Inzwischen klingen die Zahlen aus exakt denselben Quellen völlig anders: Es werden nämlich durchweg gewaltige Belastungen vorausgesagt.

Unabhängig von der konkreten Antwort auf die Frage, welche dieser Prognosen wohl wahrscheinlicher ist, ist das gewählte Beispiel geradezu ein Klassiker dafür, wie man die eigene Glaubwürdigkeit auch bei Bürgern unterminiert, die aus ihrer generellen Haltung heraus niemals AfD wählen würden. Warum operiert man also mit solchen „Fakten“?

Hinzuzufügen wäre noch, dass gerade ein solches Vorgehen primär politisch interessierten, aufgeklärten Menschen zunehmend „auf den Geist geht“, weil diese den Eindruck gewinnen müssen, dass sie durch Propaganda in plumpester Form manipuliert werden sollen.

Mein Tipp lautet also: Bleibt bei der Wahrheit und verwendet in der Debatte Argumente, die belegbar sind beziehungsweise aus moralischen Gründen kaum zu attackieren. Das macht Populisten das Leben wirklich schwer. URMEL, taz.de

Ganz neu

betr.: „Die trostlose Avantgarde“, taz.de vom 24. 5. 16

„Die Rechtspopulisten sind dabei, das Soziale und die kollektiven Gerechtigkeitsideale zu kapern.“

Ach ja? Ist mir ganz neu, dass Diskriminierung ein Gerechtigkeitsideal ist.

DEIN CHEF, taz.de

Zu einfach

betr.: „Die trostlose Avantgarde“, taz.de vom 24. 5. 16

Von wegen „paranoider Grundton“.

Der Autor dieses Artikels macht es sich ein wenig zu einfach. Tatsache ist, dass die Leute auch in Österreich die Dominanz der Finanz„industrie“ wahrnehmen und dass die Sozialdemokraten sich zum Büttel ebendieser Einflussgruppe gemacht haben (und das nicht nur in Österreich). Hinzu kommt das Problem der (unkoordinierten) Masseneinwanderung außereuropäischer Migranten.

Die Wähler wollen Veränderung, die Wahl hat es klar gezeigt.

SYSIPHOS, taz.de