Griechenland

Elf Stunden Beratung – dann einigen sich die Euro-Finanzminister auf weitere Hilfen in Höhe von 10,3 Milliarden Euro für das Land

Rettung für einen Sommer

Geld Neben neuen Krediten sagtdie Eurogruppe Griechenland erste Schuldenerleichterungen zu. Dochdamit sind neue Auflagen verbunden – und ob der IWF mitmacht, bleibt offen

Dauernder Balanceakt: Straßenszene in Athen Foto: Giorgos Georgiou/NurPhoto/picture alliance

Aus Brüssel Eric Bonse

Diesen Sommer soll es keine neue Griechenland-Krise geben. Das hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble mit auf den Weg nach Brüssel gegeben.

Tatsächlich einigten sich Schäuble und seine 18 Amtskollegen beim Treffen der Eurogruppe am frühen Mittwoch morgen auf ein neues Hilfspaket. Es enthält 10,3 Milliarden Euro und wird in zwei Tranchen ausgezahlt.

Zum ersten Mal legten die Euro-Finanzminister auch einen Fahrplan für Schuldenerleichterungen fest. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sprach deshalb von einem Durchbruch.

Auch der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos lobte die Einigung: Dies sei ein „wichtiger Moment für Griechenland, nach so langer Zeit“. Es sei nun möglich, den Teufelskreis aus Rezession und Sparzwang zu durchbrechen und wieder für Wachstum und Investitionen zu sorgen.

Doch wie in Brüssel üblich ist der Erfolg auch diesmal teuer erkauft. In ihrer elfstündigen Nachtsitzung legten die Eurominister so viele Auflagen und Vorbehalte fest, dass unklar ist, ob die Einigung wirklich hält – oder doch noch jemand von Bord geht.

Ein Wackelkandidat ist weiter der Internationale Währungsfonds (IWF). Denn die wichtigste Forderung des IWF, Griechenland sofort, umfassend und ohne Konditionen Erleichterungen beim Schuldendienst zu gewähren, wurde nicht erfüllt.

Sie prallte am Widerstand von Schäuble und einigen anderen Hardlinern in der Eurogruppe ab. Schäuble hat einen Schuldenschnitt für unmöglich und andere finanzielle Erleichterungen für unnötig erklärt. Dabei wächst der Schuldenberg Griechenlands ungebremst weiter; jeder neue Kredit vergrößert das Problem.

Die Eurogruppe vertagte den Streit auf 2018 – erst nach der Bundestagswahl will sie darauf zurückkommen. Schäuble ist dann wohl nicht mehr im Amt; sein Nachfolger könnte einsichtiger sein und mehr von Wirtschaft verstehen, hofft mancher in Brüssel.

Auf jeden Fall muss der CDU-Politiker bis dahin nicht erneut vor den Bundestag treten und um Nachlässe für Griechenland betteln. Genau das wollten Schäuble und Merkel unbedingt vermeiden. Ihnen sitzt die AfD im Nacken – und die Angst vor dem Offenbarungseid.

Denn darüber, dass die griechischen Schulden untragbar sind und niemals vollständig zurückgezahlt werden können, besteht in Fachkreisen Einigkeit. Der IWF dürfte dies in einer neuen Schuldenanalyse, die im Herbst geplant ist, nochmals bestätigen.

Erst danach will der Fonds entscheiden, ob er sich doch noch finanziell am Griechenland-Programm beteiligt – oder aussteigt. Es dürfte vor allem eine politische Entscheidung werden. Merkel setzt dabei auf Rückendeckung aus den USA. Sie hat einen Verbleib des IWF zur Bedingung für weitere Hilfen gemacht.

Der IWF-Vorbehalt ist jedoch nicht die einzige Fußangel, mit der der griechische Premier Alexis Tsipras kämpfen muss. Die Eurogruppe hat noch andere knifflige Vorbedingungen formuliert.

So will sie vor der Auszahlung neuer Hilfsmilliarden die ­drastischen Rentenkürzungen und Steuererhöhungen überprüfen; den Griechen soll keine soziale Grausamkeit erspart bleiben.

Der Schuldenberg Griechenlands wächst weiter, jeder neue Kredit vergrößert das Problem

Außerdem soll Tsipras bei der Privatisierung von Staatsbesitz nachbessern. Zwar hat er bereits zugestimmt, dass fast das gesamte griechische Tafelsilber verhökert wird – von einer unabhängigen Agentur, in der auch Vertreter der Gläubiger sitzen.

Diese bisher in Europa einzigartige Auflage hatte Deutschland beim Euro-Krisengipfel im Juli 2015 durchgesetzt. Der deutsche Flughafenbetreiben Fraport hat bereits die lukrativen Regionalflughäfen auf den griechischen Ferieninseln übernommen.

Doch die Eurogruppe geht noch weiter und fordert, auch den Privatisierungsfonds, die Bankaufsicht und den Energiesektor an die Kandare zu nehmen. Erst danach sollen frische Kredite nach Athen fließen. Erst Ausverkauf, dann Hilfe, so die neue Regel.

Doch was passiert, wenn die Privatisierung nicht die gewünschten Ergebnisse bringt? Was, wenn der IWF doch noch aussteigt? Dazu wollten sich die Finanzminister nicht äußern. Sie freuten sich lieber darüber, dass eine neue Krise abgewendet wurde.

Die meisten Griechen dürften davon allerdings nichts spüren, im Gegenteil: Auf sie rollt eine nie dagewesene Welle von Steuer- und Abgabenerhebungen zu. Sie war von den Gläubigern verlangt worden und summiert sich auf ein Durchschnitts-Monatsgehalt.

Auch von der ersten Hilfstranche in Höhe von 7.5 Milliarden Euro werden die Bürger nicht profitieren. Das Geld geht nämlich zum größten Teil gleich wieder zurück an die Gläubiger – zur Tilgung alter Schulden. In Griechenland kommt kaum etwas an.