Sichere Hochspringerin

EISKUNSTLAUF In Nathalie Weinzierl ist der dreifachen Meisterin Sarah Hecken ernsthafte Konkurrenz erwachsen. Die beiden üben beim gleichen Trainer

BERLIN taz | Sarah Wer? Bundesweit hat die dreifache deutsche Meisterin im Eiskunstlauf kaum einen Namen. In Mannheim, der Heimatstadt der 19-jährigen, ist das anders: Autogrammstunden mit der Athletin in Kinos, Bankfilialen oder Kaufhäusern sind äußerst begehrt. Hecken fährt ein Auto, das ihr ein Mannheimer Autohaus gesponsert hat. Und während der Vorbereitungszeit auf die deutschen Meisterschaften, die am Freitag und Samstag in Hamburg stattfinden, hatte die Lokalprominente Werbeauftritte auf dem Mannheimer Weihnachtsmarkt zu absolvieren.

In Hamburg möchte Hecken, die gern Klassik und spanische Rhythmen auf dem Eis interpretiert und der man ihre Freude an ihrem Sport bei jedem Programm ansieht, zum vierten Mal deutsche Meisterin werden. „Ich will den einzigen deutschen Startplatz bei den Europameisterschaften holen und dort in die Top Ten laufen“, sagt Sarah Hecken, die seit August Sportsoldatin ist, der taz. Ein Selbstläufer wird das nicht. Denn sie muss sich gegen eine Konkurrentin durchsetzen, die aus der eigenen Trainingsgruppe kommt: die ein Jahr jüngere Nathalie Weinzierl. In dieser Saison hat Weinzierl mit einer Ausnahme bei den Wettkämpfen die besseren Programme aufs Eis gebracht. Sie springt enorm hoch und sicher und führt die interne Qualifikation um den einzigen deutschen EM-Startplatz mit 20 Punkten Vorsprung an. Aufholen kann Hecken diesen Rückstand eigentlich nur, wenn Weinzierl bei den deutschen Meisterschaften patzt.

„Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass die Deutsche Eislauf-Union Sarah wegen ihrer größeren Erfahrung zu den Europameisterschaften schickt, wenn sie eine gute deutsche Meisterschaft läuft“, sagt Peter Szypa, der beide Mädchen trainiert. „Nathalie könnte dann zur Junioren-WM fahren.“ Beide hätten, ihrem Trainer zufolge, das Potenzial, in Hamburg zu gewinnen und in Europa die Top Ten zu knacken, um im nächsten Jahr einen zweiten Startplatz für die Trainingskameradin zu holen. „Beide Mädchen sind extrem ehrgeizig. Nathalie hat das bessere Sprungpotenzial. Sarah geht ruhiger, ausgewogener und überlegter an die Wettkämpfe heran.“

Sarah Hecken galt bereits mit 12 Jahren als große Hoffnung. Mit 14 gewann die Tochter einer alleinerziehenden Mutter einen Junioren-Grand-Prix. Zwei Jahre später landete sie bei den Olympischen Spielen von Vancouver auf Platz 18. Doch der große Durchbruch, den sich viele erhofft hatten, blieb aus. Mit 1,70 Meter ist Hecken für eine Eiskunstläuferin sehr groß, was bei den Drehungen ein Nachteil ist. Ist ihre beste Zeit schon abgelaufen? Werden Jüngere die internationalen Startplätze holen? Hecken denkt nicht daran, aufzugeben. Sie will in Sotschi zum zweiten Mal bei Olympia starten und danach auch weiterlaufen. „Ich bin doch erst 19“, sagt sie.

Nathalie Weinzierl hingegen ist erst in der vergangenen Saison in die nationale Spitze vorgestoßen – nach dem Wechsel zu Trainer Szypa. „Seine Trainingsmethodik ist das Richtige für mich“, sagt sie. „Aber ich hatte in den Jahren zuvor auch immer wieder Probleme mit meinem Knie und sehr viele Infekte.“ Die habe sie in den Griff gekriegt. „Dadurch habe ich auch bessere Kondition und komme beim Training weiter.“ Vergangenes Jahr durfte sie zur EM fahren, weil Sarah verletzt war. Sie wurde 22. „Ich will wieder zur EM und diesmal mindestens Zehnte werden“, formuliert Weinzierl ihr Ziel, die ab Januar auch Abiturarbeiten schreiben wird.

Werbeauftritte wie ihre Konkurrentin hat Weinzierl nicht, noch nicht einmal eine eigene Website. „Ich bin da aber gar nicht neidisch auf Sarah. Sie verdankt das ihrer Leistung.“ Und, so fügt sie hinzu, „wir verstehen uns gut. Es gibt keinen Zickenkrieg zwischen uns. Wir sind alt genug, um die sportliche Auseinandersetzung nicht persönlich zu nehmen.“

Deutschlands prominenteste Eiskunstläufer Aljona Savchenko und Robin Szolkowy werden in Hamburg nicht im Wettkampf starten. Die vierfachen Weltmeister wollen aber im abschließenden Schaulaufen vor Publikum laufen und dazu beitragen, dass die Randsportart in Deutschlands zweitgrößter Stadt ein wenig populärer wird. Auch die international erfahrenen Maylin Hausch/Daniel Wende aus Oberstdorf haben verletzungsbedingt abgesagt. Für die Europameisterschaften sind beide Paare dennoch qualifiziert. MARINA MAI