Markanter Vorname

In der aktuellen Ausgabe des Musikmagazins Spex ist eine Kolumne über Udo Lindenberg, in der die Autorin den Protagonisten mehrmals schlicht Udo nennt. Mich befremdet das, ich nenne Personen, die ich nicht kenne, grundsätzlich nicht nach ihrem Vornamen: Uwe Seeler nicht Uwe und Ulrike Meinhof nicht Ulrike.

Irritiert hat mich der Tonfall vor allem, weil ich mir niemals hätte träumen lassen, dass Spex einen Künstler vom Kaliber Lindenbergs auf diese Weise eingemeindet. Steht der „Helmut Schmidt des Deutschrock“ (Rheinische Post) ästhetisch nicht für das größtmögliche Gegenteil dessen, was Spex verkörpert hat und immer noch verkörpert – trotz der zirka acht Metamorphosen, die das Magazin seit der Gründung durchlaufen hat?

Mir fiel bei der Lektüre wieder ein, dass Lindenberg auf dem einzigen Album, das ich von ihm besitze, noch auf die Nennung seines aus heutiger Sicht markanten Vornamens verzichtet hat. Sein Solodebütalbum – das bei mir im Regal steht, weil mein Schwiegervater es sonst entsorgt hätte – erschien 1971 unter dem Namen Lindenberg. Besonders ist es nicht nur, weil es sein einziges Nachname-only-Werk ist, sondern weil er damals auf Englisch sang. Lindenberg ließ den Udo wohl weg, weil er ihn als hinderlich für eine internationale Karriere betrachtete. Falls jemand die Platte mal auf dem Flohmarkt oder bei Ebay sieht: Mit einem soliden Stones-­Plagiat geht es los, ein paar Southern-Rock-Anleihen gibt’s auch.

Zugegeben: „Ich bin Rocker“ fand ich als Zwölfjähriger gut, und ich hatte auch das dazugehörige Album, aber wenn ich den Titel nicht gegoogelt hätte, wäre er mir, anders als bei den meisten anderen Alben, die ich aus Distinktions- oder sonstigen Gründen verkauft habe, nicht eingefallen. Schon damals blöd fand ich seine Beatles-Coverversion „Wenn ich 64 bin“. Dass Beatles-Coverversionen ein glitschiges Terrain sind, auf dem auch schon Künstler ausgerutscht sind, die ein paar Ligen über Lindenberg spielen, konnte ich noch nicht wissen. René Martens