Großkoalition wühlt im Haushaltsloch

Erste Verhandlungsrunde für eine schwarz-rote Koalition beginnt tiefrot: Die künftige Regierung versucht, eine Haushaltsdefizit von 50 Milliarden Euro zu schließen. Eigenheimzulage so gut wie weg – zum x-ten Mal. SPD erklärt Steuersenkungen zum Tabu

BERLIN taz/afp/dpa/rtr ■ Noch bevor die große Runde mit ihrer ersten formellen Koalitionsverhandlung gestern Nachmittag begann, war die Eigenheimzulage abgeschafft – wieder einmal. CDU-Generalsekretär Volker Kauder sagte, 2007 sei Schluss mit der Förderung für Häuslebauer, die den Staat alljährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag kostet. Wie ernst es diesmal zu sein scheint, zeigten Warnhinweise der Verbraucherschützer. Sie rieten, schnell nach dem Bauzuschuss zu greifen, ohne auf Wucherer hereinzufallen.

Auch der amtierende Finanzminister Hans Eichel (SPD) hatte die Eigenheimzulage bereits mehrfach zur Abschaffung vorgeschlagen. Der Grund war der gleiche, warum die mögliche große Koalition sie nun auf dem Kieker hat: Das Geld wird dringend gebraucht, um den Bundeshaushalt zu sanieren. Um 2007 den europäischen Stabilitätspakt einzuhalten, müsste der künftige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) 14,5 Milliarden Euro weniger ausgeben. Das strukturelle Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben im Bundesetat liegt bei etwa 53 Milliarden Euro im Jahr 2006 – einer der wenigen Punkte, bei der sich Union und SPD jetzt schon einig sind. Um die Lücke zu schließen müsste eine ganze Reihe von Steuervergünstigung abgebaut werden, darunter eben die Eigenheimzulage.

Das erste Treffen der designierten Koalitionäre gestern sollte, wie üblich, eine Art Kassensturz bringen – um zu wissen, wie viel Geld überhaupt zum gemeinsamen Regieren zur Verfügung steht. Alle vorherigen Informationen galten als Kaffeesatzleserei und/oder taktische Spielchen. So könnte etwa Kauders frühe Ankündigung, die Eigenheimzulage sei fällig, als Warnschuss an die eigenen, die Unions-Ministerpräsidenten zu lesen sein. Die waren bisher nie begeistert, den Bauzuschuss abzuschmelzen, sitzen aber im halben Dutzend in der Koalitionsrunde der 32 PolitikerInnen, die gestern mit den Gesprächen begannen. Darunter auf Seiten der Union mit Michael Meister nur ein eigentlicher Finanzpolitiker, der aber vergleichsweise wenig politisches Gewicht einzubringen vermag.

Die Verhandlungspartner nutzten den Montag, um ihre jeweiligen Positionen möglichst lauthals vorzutragen – und widersprachen sich dabei gelegentlich selbst. So warnte Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) vor der Abschaffung der Eigenheimzulage. In der SPD hielt der Streit um den Verkauf des Autobahnnetzes für über 100 Milliarden Euro an, den Peer Steinbrück am Wochenende angeblich ins Spiel gebracht hatte. Der Finanzminister in spe musste sich dafür Kritik in der SPD anhören. Generalsekretär Klaus Uwe Benneter erklärte, Steinbrück habe den Verkauf der Autobahnen bei gleichzeitiger Einführung einer Pkw-Maut gar nicht zur Diskussion gestellt. Als Finanzminister müsse Steinbrück aber alles in Erwägung ziehen, was Haushaltslöcher stopfen könnte. Steinbrück selbst sagte, derzeit prüften Fachleute den Vorschlag. „Ich bin nach allen Seiten offen.“

Die SPD will in den Koalitionsverhandlungen mit der Union vor allem über eines nicht reden – über Steuersenkungen. Benneter sagte, „ein Tabu gibt es, dass es keine Steuersenkungen geben kann in dieser Situation.“ Es müsse über „konjunkturgerechte Finanzen“ verhandelt werden. Themen in den nächsten vier Wochen sollen auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Streichung der Eigenheimzulage sein.

Nach der Vorbereitungssitzung der SPD-Spitze sagte Benneter weiter, Verhandlungsgrundlage der Sozialdemokraten sei ihr Wahlmanifest. „Natürlich gibt es auch Tabus, an die wir nicht rangehen. Aber es gibt keine Tabu-Listen.“