Schatzbrief aus Hannover

KOMMUNALFINANZEN Die Landeshauptstadt von Niedersachsen geht neue Wege auf dem Kapitalmarkt: Sie vergibt Stadtanleihen. Andere Kommunen wollen diesem Beispiel folgen

Die Stadtanleihe könnte eine Reihe anderer Städte auf den Plan rufen

VON HERMANNUS PFEIFFER

Hannover begibt nächste Woche die erste Stadtanleihe. Damit betritt die rot-grün regierte Stadt beim Schuldenmachen Neuland. Bundesweit schauen die Stadtkämmerer nun gespannt auf Hannovers neuartigen Schatzbrief, der 105 Millionen Euro einbringen soll.

Stadtanleihen werden in Europa bislang nur von wenigen Hauptstädten wie Rom und Paris genutzt. Doch mit seiner Emission betritt nun auch Hannover „bisher kaum kartografiertes Terrain“, meint Matthias Kreie, Analyst bei der NordLB. Kreie erwartet ein bundesweites Signal: „Wenn die Stadtanleihe erfolgreich verläuft, könnte sie eine ganze Reihe anderer Städte auf den Plan rufen.“

Vielerorts ist die Haushaltslage der Städte und Gemeinden angespannt bis katastrophal. Die 525.000 Einwohner Hannovers tragen eine Schuldenlast von 1,3 Milliarden Euro. Viel einzusparen gibt es allerdings nicht mehr. Nach jahrelangen Sparrunden sind die Spielräume für Ausgabensenkungen in den Kommunen „sehr eng geworden“, heißt es beim Städte- und Gemeindebund. Und 80 Prozent der Ausgaben sind im Schnitt gesetzlich vorgegeben.

Wer hoch verschuldet ist, bekommt von Banken nur noch schwer Geld geliehen und dann zu einem hohen Zinssatz. Daher beobachten Experten, dass sich Kommunen verstärkt mit alternativen Finanzierungsformen beschäftigen.

Bundesweit Schlagzeilen machte kürzlich ein „Quickie“ (Financial Times) aus Quickborn. Die kleine Stadt beschaffte sich vier Millionen Euro mittels eines Bürgerkredits direkt von ihren Einwohnern. Das schleswig-holsteinische Innenministerium haben jedoch weitere Kredite untersagt: Gemeinden dürften keine Bankgeschäfte betreiben.

Das Beispiel Quickborn zeigt allerdings den großen Bedarf an neuen sprudelnden Finanzquellen. Die am Montag startende Hannoveranleihe ist dazu ein direktes Konkurrenzprodukt. An ihm scheinen alle gut zu verdienen. Aus Sicht der Konsortialführer NordLB, der genossenschaftlichen WGZ und der Stadtsparkasse muss für eine Anleihe kein teures Eigenkapital bereitgestellt werden. Anteilskäufer freuen sich über eine risikolose Geldanlage, die einen Tick höhere Zinsen bietet als ein Bundesschatzbrief. Und die Stadt dürfte sich günstiger verschulden als bei einem klassischen Kredit.

Auch die Linke hat „prinzipiell nichts gegen Anleihen“, sagt Ratsherr Oliver Förste. „In diesem Fall sind wir aber dagegen.“ Mit den 105 Millionen soll eine Kapitalerhöhung der Hannover Messe finanziert werden. Wenn überall gespart werden müsse, sei eine zusätzliche Verschuldung zugunsten der Messe unverantwortlich. Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) war zu einer Stellungnahme nicht bereit. Auch die regierenden Grünen „haben mit den Zähnen geknirscht“, versichert Ratsherr Werner Putzke. Aber ohne das frische Kapital wäre die Messe pleite. Und an dem Aushängeschild der Stadt hängen direkt und indirekt etwa 100.000 Jobs, soll eine Studie ergeben haben.