Mission possible

KULTUR und BILDUNG Die Kulturprojekte Berlin GmbH wird 10 und bemüht sich, das Image des Blockbuster-Veranstalters loszu-werden: mit Pro-jekten kultureller Bildung für junge Flüchtlinge

Auch ein Projekt der Kulturprojekte Berlin GmbH: Die Ausstellung „Zerstörte Vielfalt. Berlin 1933–1938“ war 2013 der Beitrag zum gleichnamigen Themenjahr der Stadt Berlin. Sie erinnerte an die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 und an das Novemberpogrom von 1938. Die Ausstellung vereinte über vierzig Projekte von Museen und Gedenkstätten, privaten Vereinen und Initiativen Foto: Uwe Norkus/ddp

von Rolf Lautenschläger

Nein, wir haben uns nicht verirrt. Auf der Bühne im Podewil diskutieren der DGB-Boss Reiner Hoffmann, Olaf Zimmermann, Chef des Deutschen Kulturrates, und Breschkai Ferhad, Leiterin der Neuen Deutschen Organisationen, über kulturelle Bildung. Stundenlang und im Radio. Angesichts der aktuellen Debatten über Flucht und Asyl ist das nur vernünftig. Aber als Moritz van Dülmen, Geschäftsführer der Kulturprojekte Berlin GmbH – die im Podewil in der Klosterstraße ihren Sitz hat und kommende Woche ihren 10. Geburtstag feiert –, sagt, „hier ist der Treffpunkt für kulturelle Bildung“, klingt das paradox. Kulturprojekte? Sind das nicht die mit den Big Points?

Dass die Kulturprojekte mit den von ihr mit initiierten Programmen kultureller Bildung zwischen Kulturinstitutionen einerseits sowie Jugendlichen und jetzt vermehrt Flüchtlingen andererseits nicht immer synonym genannt werden, liegt am Image der Kulturprojekte Berlin (KPB). Und an der Geschichte: Die Gründung der neuen landeseigenen Gesellschaft 2006 durch den damaligen Kultursenator Thomas Flierl (Linke) hatte zum Ziel, Projekte mit den unterschiedlichsten Kulturakteuren anzustoßen.

Weil das kulturelle Berlin nach der Jahrtausendwende jedoch unter Druck gestanden hatte und etwa ein Opernhaus geschlossen werden sollte, setzte Flierl-Nachfolger Klaus Wowereit (SPD) primär auf einen Veranstaltungsbetrieb mit der Mission, große kulturelle Vorhaben und Events zu steuern.

Inszenierung von Events

Torsten Wöhlert, stellvertretender KPB-Geschäftsführer, nickt heute, wenn es ums Thema Inszenierung von Events geht. Zweifellos seien es „die Blockbuster, die jeder kennt“, mit der die Kulturprojekte identifiziert würden. Die große Bühne samt Glamour gehörte den Mauerfall-Jubiläen mit „Dominosteinaktion“ (2009) und „Lichtgrenze“ (2014). Nicht weniger spektakulär waren oder sind die Langen Nächte der Museen oder die Berlin Music Week.

Dass Kritiker der KPB von einer Gesellschaft für „Berliner Kulturmarketing“, von Kunst und Kultur als Ereignis für Touristen sprechen, ist eine Sache. Eine andere ist, dass so wunderbare KPB-Konzepte wie das Themenjahr 2013 „Zerstörte Vielfalt“ (siehe Foto) oder das Gedenken an die Friedliche Revolution 1989 dadurch etwas ins Hintertreffen gerieten. Was schade ist.

Ist also das Thema kulturelle Bildung gleichfalls ein Stiefkind der Kulturprojekte Berlin? Wohl kaum, meint Wöhlert, eher werde diese „scheinbare Unbekannte in der Öffentlichkeit“ nicht so wahrgenommen, wie sie es verdiente.

Denn die Bilanzen zeigten eine Erfolgsstory – Perspektiven inklusive. „Die kulturelle Nachwuchsarbeit war schon von Anbeginn für uns essenziell. Seit 2008 erreichte der ‚Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung‘ etwa 60 Prozent aller Schulen mit seiner Förderung“, erinnert Wöhlert. Der Fonds, den die Kulturprojekte administrieren und der vom Senat erst mit 2 Millio­nen und ab 2016 mit 2,5 Millio­nen Euro pro Jahr ausgestattet wurde, unterstützt Projekte mit Beträgen zwischen 3.000 und 20.000 Euro.

Mehr als 2.000 Programme

Am Dienstag, 24. Mai, feiert die Kulturprojekte Berlin GmbH im Podewil in der Klosterstraße 68 mit großem Ball ihren 10. Geburtstag.

Bis zum 6. Juni 2016 ist die Ausstellung „Refugees in Arts & Education“ in der Wandelhalle im Berliner Abgeordnetenhaus mit Projekten kultureller Bildung seit 2008 zu sehen.

Vom 3. bis 4. Juni 2016 findet im Podewil in Mitte und auf dem Mariannenplatz in Kreuzberg das Festival „Interventionen 2016“ statt. Es beinhaltet Programme, Konzerte und den praxisorientierten Austausch mit den selbst organisierten Projekten von Flüchtlingen und Migranten. Infos: www.interventionen-berlin.de

„Kubinaut – Navigation Kulturelle Bildung“ ist die Webplattform für die Berliner Kulturelle Bildung. (rola)

An seither mehr als 2.000 Programmen kultureller Bildung seien rund 100.000 junge BerlinerInnen beteiligt gewesen, listet die KPB auf, die den Fonds und die Vergaben – gemeinsam mit Jurys – begleitet. Über 200 Schulen profitierten jährlich von der Förderung. Immer mehr Schulleiter, Kulturämter, Kitas und Jugendeinrichtungen setzten auf dieses „Berliner Tandem-Modell“, das die Kooperation zwischen Akteuren aus den Bereichen Kunst und Kultur und den Bildungs- und Freizeiteinrichtungen im Blick hat.

Wie so etwas funktioniert, ist derzeit in der Ausstellung „Arts & Education“ im Abgeordnetenhaus zu sehen, wo 14 Projekte nachgezeichnet werden: Rockmusiker und Kinder proben zusammen arabischen, kurdischen und persischen HipHop. Das Deutsche Theater (DT) und Jugendliche studieren Performances ein. Und „Coming of Age“, ein Jugendprojekt mit dem Theater an der Parkaue, erzählt vom Erwachsenwerden – es ist eine schöne Tour d’Horizon durch die Resultate des Fonds.

Ging es der Politik und der KPB zunächst darum, die Kids aus bildungsfernen Milieus mit kostenlosen Kulturangeboten für Musik, Theater oder Literatur zu interessieren, so soll sich zukünftig die kulturelle Bildungsarbeit vermehrt im Kontext der Migrationsprozesse bewegen, wie Kulturstaatssekretär Tim Renner betont. „Die Antragslage der letzten Monate spiegelt den großen Bedarf an Projekten, die mit und von Geflüchteten gestaltet werden, Diversität in der Gesellschaft fördern und künstlerische Innovation beflügeln.“

Welche Band bei der Party am Dienstag (siehe Kasten) rocken wird, ist noch geheim. Wenn man KPB-Geschäftsführer Wöhlert glauben darf, wird es Überraschungen geben. „Angefangen hat es mit kulturellen Bildungsprojekten für Geflüchtete, dann wurden welche mit Geflüchteten entwickelt und jetzt gibt es erste Formate von Geflüchteten. Das beschreibt auch Stufen der Integration. Und genau darum geht es hier.“