Meilenstein auf dem Weg ins Ungewisse

USA feiern Verfassungsreferendum, Stimmen aus den arabischen Nachbarstaaten sehen die Zukunft skeptisch

„Die Iraker wollen nichts mehr von Explosionen, Blutvergießen und Terror hören“

KAIRO taz ■ „Meilenstein“ war erwartungsgemäß das meistgebrauchte Wort im offiziellen Washington zur Beschreibung des irakischen Verfassungsreferendums. Auch US-Präsident George Bush hat es verwendet, als er den Irakern zu ihrem „erfolgreichen Referendum“ gratulierte. „Die hohe sunnitische Beteiligung, zusammen mit der geringen Gewalt, zeigt, das wir im Irak Fortschritte machen“, analysierte der US-Botschafter in Bagdad, Zalmay Khalilzad, das Referendum aus seiner Warte.

Die arabischen Medien äußerten sich nicht so eindeutig. Auch dort ist durchaus Positives zu vernehmen, wie etwa in der saudischen Tageszeitung Arab News, die das Referendum, „trotz aller Unzulänglichkeiten, mit der Besatzung und dem Blutbad, das mit dieser einhergeht“, als „demokratischen Neuanfang“ bezeichnet. Für die in den arabischen Emiraten erscheinende al-Itiihad war die relativ friedliche Wahl „eine Lektion, die zeigt, dass die Iraker nichts mehr vom Blutvergießen, Explosionen und Terror hören wollen“.

Aber vor allem die „Neinstimmen“ der sunnitischen Minderheit sind den arabischen Medien Anlass zur Sorge. Dadurch sei die Verfassung „unvollständig“, glaubt al-Ittihad. Die saudische Tageszeitung al-Watan weist darauf hin, dass sich trotz der hohen Wahlbeteiligung der Bruch in der Bevölkerung durch die Verfassung noch vertieft habe. „Anstatt Homogenität zu schaffen, hat dieser Entwurf das Land gespalten“, glaubt die überregionale arabische Tageszeitung al-Hayat. Und in die Zukunft blickend fordert sie: „Wir müssen die Konflikte lösen, die durch diesen Entwurf nicht gelöst wurden. Auch wenn die Mehrheit über das Schicksal dieses Entwurfes bestimmen wird, die zukünftigen Konflikte werden uns zwingen, den Entwurf später zu überarbeiten.“ Die Zeitung fordert eine „Initiative zur nationalen Versöhnung“.

Andere, wie die jordanische Tageszeitung al-Dostour, glauben bereits nicht mehr an die Möglichkeit einer nationalen Versöhnung. „Die Verfassung wird das gegenwärtige Chaos weder beenden, noch wird sie die Besatzungstruppen aus dem Land treiben oder den Terror beenden“, schreibt sie pessimistisch.

KARIM EL-GAWHARY