Frauengeschichten

Historie Das Bremer Frauenmuseum veröffentlicht ein Lexikon vergessener Bremerinnen, die auch das Focke-Museum würdigt

Frauendinge sollen Frauengeschichten erzählen: Ausstellung im Focke Museum Foto: Martin Luther/Focke-Museum

von Karolina Meyer-Schilf

Von 1978 bis 2012 gab es in Deutschland einen Seenotrettungskreuzer namens „Wilhelm Kaisen“, benannt nach dem großen Bremer Bürgermeister der Nachkriegszeit. Das Beiboot hieß „Helene“ – ohne Nachnamen. Beide sind inzwischen ausgemustert und nach Togo verkauft. Was von der Episode bleibt, sind die Namen als Symp­tom: für die Frau als Anhängsel ihres Mannes.

Wobei Helene Kaisen noch Glück damit hatte, wenigstens als Beiboot gewürdigt zu sein. Vielen ihrer Geschlechtsgenossinnen ist das nicht vergönnt. Ihnen setzt nun das Bremer Frauenmuseum ein literarisches Denkmal. Dabei darf das Projekt eines Nachschlagewerks, das die Biografien von über 300 Frauen aus dem Land Bremen umfasst, das von 41 AutorInnen ehrenamtlich bearbeitet wurde und das zugleich die Ausstellung „Bremer Frauen Geschichten“ im Focke-Museum begleitet, schon als ambitioniert gelten.

Auf knapp 500 Seiten entfalten sich die Lebensgeschichten der Frauen. Den Herausgeberinnen um Edith Laudowicz, Vorsitzende des Bremer Frauenmuseums, war eines dabei besonders wichtig: Nicht nur ohnehin berühmte Frauen, die auf die eine oder andere Art Großes geleistet haben, sollten darin vorkommen, sondern auch die sogenannten „einfachen“ Frauen, die ansonsten keine Spuren in Kultur, Wissenschaft oder Politik hinterlassen haben.

Dieser Anspruch macht das Projekt interessant, bringt jedoch auch Probleme mit sich. Denn das Leben von Hausfrauen, Dienstmägden und Marktverkäuferinnen ist in den seltensten Fällen gut dokumentiert. Während Helene Kaisen nicht nur als Bürgermeistergattin in Erscheinung trat, sondern auch selbst politisch aktiv war und damit einiges über ihre Überzeugungen und ihr privates Leben bekannt ist, sieht das etwa bei der Tabakarbeiterin Meta Arhues anders aus.

Über Arhues ist nur bekannt, was bei Behörden aktenkundig wurde – und das ist nicht viel: Sie war offensichtlich mehrfach in gerichtliche Auseinandersetzungen mit ihren jeweiligen Arbeitgebern verwickelt. In den erhaltenen Protokollen kommen sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz, über die sie sich beschwerte, ebenso zur Sprache wie ihr – womöglich daraus resultierendes – häufiges Fehlen. Und zuletzt noch ihr „zweifelhafter Ruf“.

Dass sich die Einzelheiten kaum ergründen lassen, ist auch bei anderen Einträgen weniger bekannter Frauen problematisch: Die LeserInnen bleiben eher ratlos zurück. Im Vorwort wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der vorliegende Band Anregung für weitere vertiefte Forschung sein soll, was die ausführliche Nennung der benutzten Literatur unter den jeweiligen Einträgen und am Ende des Bandes unterstreicht. Unklar bleibt aber, nach welchen Kriterien die Frauenbiografien eigentlich ausgewählt wurden.

Steht Meta Arhues’ wechselhafte Erwerbsbiografie stellvertretend für Frauen in der Tabakindustrie? Oder reichte es aus, dass sie eine Frau aus Bremen war, über die zufällig einige Lebenssplitter in den Akten überdauert haben? Bedauerlich ist, dass statt eines Sach- und Personenregisters nur ein rudimentäres Register die Biografien grob nach „Wirkungsbereichen“ wie Kunst, Sport oder Wissenschaft sortiert. Sucht man gerade nach Frauen außerhalb des historischen Schlaglichtes, bleibt nur eisernes Durchackern von A wie Elisabeth Abt bis Z wie Selma Zwienicki.

Über die Tabakarbeiterin ist nur bekannt, was aktenkundig wurde: ihr „zweifelhafter Ruf“

Zum Erscheinen des Buches haben auch die MitarbeiterInnen des Focke-Museums ihr Magazin durchforstet: nach Objekten, die mit den verzeichneten Frauen in Verbindung stehen. Dabei kamen 61 Gegenstände zum Vorschein, die nun in der Sonderausstellung „Bremer Frauen Geschichten“ gezeigt werden: Von der Mokkatasse über die Puppenstube bis hin zu Gemälden und Schriften reicht die Sammlung, die auf Biografien und Lebensumstände der Frauen verweisen soll.

Die Idee ist charmant, bei der Präsentation wurde jedoch eine Chance vertan: Es gibt an den Vitrinen keinerlei weitere Erklärungen zu den einzelnen gezeigten Gegenständen. Stattdessen liegen gedruckte Zeitungen aus, in denen nach Objektnummer sortiert Näheres über die Frauen zu erfahren ist. Gerade weil die an sich unspektakulären Objekte aber nicht für sich selbst stehen, sondern die Funktion haben, auf die Frau dahinter zu verweisen, wären erklärende Texte direkt an der Vitrine wünschenswert gewesen.

Angeschlossen ist außerdem die in Kooperation mit Studierenden der Hochschule für Künste entstandene Foto-Ausstellung „Outstanding Bremerin“, in der ebenfalls Bremer Frauen porträtiert werden. Die stehen jedoch noch mitten im Leben und geben in Steckbriefen Auskunft über ihre Herkunft, ihren Beruf und ihre Wünsche und Ziele. „Outstanding Bremerin“ zeigt Frauen, die ihren Weg gehen und schlägt die Brücke in die Gegenwart.

„Bremer Frauen Geschichten“ bis 21. August, Focke-Museum

Buchvorstellung: Mittwoch, 19.30 Uhr, Belladonna

Vorstand des Bremer Frauenmuseums e. V. (Hrsg.): Frauen Geschichte(n), Edition Falkenberg, 2016, 504 Seiten, 25 Euro