„Meine Kristallkugel sagt zu Koalitionen nichts“

NRW Rot-Rot-Grün? Schwarz-Grün? Oder Jamaika? Für die Grünen kann die NRW-Wahl im Mai 2010 zur zentralen Weichenstellung werden. Die grüne Landeschefin Daniela Schneckenburger hält sich alles offen und zweifelt, ob SPD und Linkspartei zusammenarbeiten können

■ 49, ist seit 2006 Landeschefin der Grünen in NRW. Im Mai will die Lehrerin, die den Grünen seit 1987 angehört, in den Düsseldorfer Landtag einziehen und dann den Landesvorsitz niederlegen.

INTERVIEW ANDREAS WYPUTTA

taz: Frau Schneckenburger, sind den nordrhein-westfälischen Grünen Posten und Pöstchen wichtiger als Inhalte?

Daniela Schneckenburger: Nein. Warum?

Am Wochenende bestimmt ein Parteitag die Kandidatinnen und Kandidaten für die Landtagswahlen im Mai. Warum wird erst im Februar über Inhalte diskutiert?

Im Februar wollen wir zusammen mit dem Programm eine Wahlaussage treffen. Deshalb ist es richtig, unser Programm erst möglichst kurz vor den Wahlen zu beschließen.

Schon in der Einladung zum Personalparteitag kündigt Ihre Partei an, CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers „die sozialdemokratische Maske von der neoliberalen Fratze reißen“ zu wollen. Die Grünen stehen also klar für Rot-Rot-Grün?

Die Koalitionsfrage ist für uns noch nicht entschieden. Die Sozialdemokraten schicken derzeit ihren Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel vor mit der Behauptung, wir wollten ein Bündnis mit der CDU. Das zeigt: Die SPD bekämpft die Grünen, statt die Auseinandersetzung mit ihren Hauptgegnern aufzunehmen …

und die wären?

Die Demobilisierung ihrer Anhängerschaft und der selbsternannte Arbeiterführer und seine CDU. Die Linkspartei verwechselt Politik mit einem Schönheitswettbewerb um die radikalste Formulierung. Am Ende wird die Frage sein, ob sie bereit ist für reale Politik oder ob die eiserne Lady Wagenknecht es schafft, sie in den Sektiererturm einzuschließen.

Aber bei wichtigen Themen wie Mindestlohn, Abschaffung von Studiengebühren oder der einen Schule für alle vertreten Grüne, Sozialdemokraten und Linkspartei doch gemeinsame Inhalte?

Dennoch bekämpfen und blockieren sich SPD und Linkspartei gegenseitig. Gerade die SPD hat längst noch nicht akzeptiert, dass mit der Linken bundesweit eine fünfte politische Kraft entstanden ist, die man nicht mehr wegreden kann.

Stattdessen erklärt Nordrhein-Westfalens SPD-Chefin Hannelore Kraft die Linkspartei immer wieder für „weder koalitions- noch regierungsfähig“. Können Sie das verstehen?

SPD-Versteherin, das ist nicht meine Aufgabe. Wenn die Sozialdemokraten in NRW eine führende Rolle als Volkspartei beanspruchen wollen, müssten sie auf Kooperation setzen und entschlossen die Regierung Rüttgers angreifen. Die jüngste Umfrage hat doch gezeigt, dass SPD und Grüne aktuell nur 5 Prozentpunkte hinter CDU und FDP liegen. Ich kann nur sagen: Da geht noch was.

Sie plädieren also klar für Rot-Rot-Grün?

Nordrhein-Westfalens schwarz-gelbe Landesregierung hat laut einer vom WDR in Auftrag gegebenen Umfrage von Infratest dimap sechs Monate vor den Landtagswahlen keine Mehrheit. Im bevölkerungsreichsten Bundesland käme die CDU zurzeit auf 36 Prozent – im Vergleich zur Landtagswahl 2005 ist das ein Minus von 8,8 Prozentpunkten. Zusammen mit den 10 Prozent der FDP (plus 3,8 Prozentpunkte) würden sich derzeit nur 46 Prozent für die Koalition von CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers entscheiden. Ein mögliches rot-rot-grünes Bündnis liegt dagegen bei 49 Prozent: Die SPD erreicht 30 Prozent (minus 7,1), die Grünen 11 Prozent (plus 4,8). Die Linkspartei, die 2005 noch getrennt als PDS und WASG antrat, würde mit 8 Prozent in den Landtag einziehen. Damit wäre eine rot-rot-grüne Regierung möglich. Wenn es so käme, würde die Mehrheit von Union und FDP im Bundesrat fallen. Ohne die 6 Stimmen aus NRW müsste Schwarz-Gelb gegen den Bundesrat regieren. WYP

Ich stehe erst einmal für starke Grüne. Derzeit weiß niemand, ob SPD und Linke wirklich eines Tages zusammenarbeiten können. Genau deshalb diskutieren wir erst auf unserem Programmparteitag über mögliche Bündnispartner und werden das möglicherweise kurz vor der Wahl noch einmal präzisieren.

Hinter den Kulissen werben führende Landtagsabgeordnete der Grünen aber bereits für ein schwarz-grünes Bündnis mit der CDU. Selbst Jamaika mit der FDP gilt als denkbar.

Da hören Sie mehr als ich. Aber richtig ist: Es gibt Bündnisse mit der CDU vor Ort. Auf kommunaler Ebene haben viele Grüne die Erfahrung gemacht, dass sie viele ihrer Inhalte mit der CDU umsetzen können – und dass die Christdemokraten vertragstreu sind. Aber auf Landesebene trennen uns vor allem Bildungspolitik und Energiepolitik. Und zu Jamaika: Zwischen Grünen und FDP liegen in NRW Welten.

Frau Schneckenburger, noch mal persönlich gefragt: Wer regiert ab Mai 2010 NRW? Schwarz-Grün? Rot-Rot-Grün? Oder doch Jamaika?

Meine Kristallkugel sagt dazu noch nichts.