Obdach-, weil gottlos

SOZIALES Versorgungsstelle für Wohnungslose droht Aus. Bezirk plant, Räume zu beschlagnahmen

Der Mangel an Hilfe für Obdachlose in Berlin spitzt sich zu. Am Ostbahnhof erhielt die seit elf Jahren dort ansässige Arzt- und Zahnarztpraxis für Wohnungslose die Kündigung des Mietvertrages. Vermieterin der Räume am Stralauer Platz in Friedrichshain ist die evangelische Kirche.

Die bislang von der MUT GmbH, einem Unternehmen der Ärztekammer, geführte medizinische Versorgungsstelle am Ostbahnhof bekam die Kündigung, weil der Träger die Einrichtung mit einem Untermietvertrag an den Humanistischen Verband Deutschland (HVD) übergeben wollte. Die Kirche lehnte dies ab und kündigte stattdessen den Mietvertrag zum kommenden August. Grund ist dem Kirchlichen Verwaltungsamt (KVA) Mitte-Nord zufolge die religionskritische Satzung des HVD. Der MUT stehe es frei, das Projekt „an einen anderen Träger zu übertragen, der mit den Zielen der evangelischen Kirche in Übereinstimmung arbeitet und deshalb als Mieter akzeptabel ist“, so KVA-Leiter Ralf Nordhauß.

Der Sozialstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Carsten Engelmann (CDU), hat unterdessen angekündigt, künftig Räume zu beschlagnahmen, um der wachsenden Zahl hilfesuchender Obdachloser Herr zu werden. Er wolle diese Möglichkeit noch vor Weihnachten prüfen, sagte Engelmann auf taz-Anfrage, da er „fürchte, dass der Druck zwischen Weihnachten und Neujahr noch größer wird“. In Berlin stehen laut der Senatsverwaltung für Soziales etwa 5.000 Schlafplätze für Obdachlose zur Verfügung. Deren Zahl, über die keine offizielle Statistik geführt wird, wird von Experten auf etwa 10.000 geschätzt. AKW