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Besonders artfremde Massenmenschenhaltung findet man auf den FinanzmärktenWerdet endlich Kanalsanierer

Foto: privat

Kapitalozän

von Ingo Arzt

Wenn man stirbt, dann kommt ein Lebensabspann, unterlegt mit einem Lebensabspannsong. Man schließt die Augen, schwebt noch ein wenig über seinem Körper herum und dann erklingt er. Bei mir wird es „Hey Jude“ von den Beatles sein. Dieses tiefe Wissen überkam mich, als ich gerade meine Spätzlepresse wusch. Der Teig klebt immer so in den Löchern.

Das Schöne am Tod und der Lichtgeschwindigkeit ist: Sie sind das Ende des Kapitalismus. In meditativen Momenten, beim Spülen oder beim Kacken, überkommt mich oft der Gedanke, dass der Mensch nicht artgerecht gehalten wird. Wegen des Kapitalismus. Sie werden mir folgen können, wenn der Wecker morgens zur Arbeit peitscht. Wenn Sie im Büro sitzen und draußen die Sonne scheint. Wenn Sie im Grünen nach Körner picken wollen wie die Biohühner. Aber nicht dürfen. Besonders artfremde Massenmenschenhaltung findet man auf den Finanzmärkten. Es sind nicht nur die üblichen Grausamkeiten des Bürolebens (zu wenig Auslauf, soziale Isolierung).

Nein, wegen der fortwährenden Adrenalin- und Testosteron-Flutungen beim Kaufen, Verkaufen, Kaufen, Verkaufen, verlieren diese armen Finanzheinis auch noch jegliches Gespür für die Freuden sozialer Interaktion mit echten Menschen. Das ständige emotionale Masturbieren wegen der Kurse führt zu Stress, Impotenz, Herzinfarkt, „Hey Jude“ und Schluss.

Ein Freund von mir ist staatlich zertifizierter Kanalsanierer. Er sorgt dafür, dass die Scheiße abfließt, was so komplex ist wie eine Mondlandung. Er übt seinen Beruf sehr gern aus. Kürzlich sagte er: „In München grassierte bis 1850 der Typhus. Die Menschen starben an Durchfall. Dann kam die Kanalisation. Heute stirbt in München niemand mehr an Typhus.“ Wohl wahr. Es ist so, dass 2,5 Milliarden Menschen auf der Welt ohne Kanalisation leben. Ich möchte allen Akteuren der Finanzmärkte zurufen: Macht etwas Sinnvolles. Beschäftigt euch mit echter Scheiße. Werdet Kanalbauer.

Warum heißt es überhaupt „Märkte“? Was hat ein Finanzmarkt mit einem Markt zu tun? Waren Sie schon mal auf einem echten Markt? Da riecht man an einer dicken Salami, betastet Stoffe, trinkt einen Schwarztee beim Gemüsehändler, kauft einen Sack Salz, so groß, dass selbst die Enkel damit noch die Hühner pökeln, quatscht, trifft Hinz und Kunz. Das ist artgerechte Menschenhaltung.

Es gibt diesen Irrglauben, dass die Armen im Jenseits belohnt werden und die Reichen bestraft werden. Das ist natürlich nur eine Erfindung der reichen Idioten, damit die armen Idioten den reichen Idioten im Diesseits nicht die Jachten versenken. Wäre ja auch furchtbar, wenn uns Besitzverhältnisse bis ins Grab verfolgten. Der Tod ist die Grenze des Kapitalismus. Wie die Lichtgeschwindigkeit: Man kann nicht schnell fliegen, weshalb die Menschen nicht von ihrem verkackten Planeten runterkommen. Sonst würden sie den Andromedanebel verkaufen.

Mein Freund, der Kanalsanierer, der findet übrigens: „Hey Jude“, das ist die Hölle. Glaubenssache.

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