: Wo ich einmal verloren war
Ein Auslandsjahr auf einer Insel. Einer wunderschönen Insel mit Strand und Palmen, dichten Wäldern und hohen Bergen, trockenen Hochebenen und einem aktiven Vulkan. Sogar mit dem Euro kann man dort bezahlen – und die Amtssprache wird in vielen Schulen in Deutschland gelehrt.
Studieren unter Palmen – kann man sich Schöneres vorstellen? Irgendwie hat es bei mir nicht funktioniert. Es begann schleichend. Erst war es mir einfach zu heiß. Ich begann das deutsche Wetter zu vermissen. Dann wurde es mir zu eng. Die Luft zum Atmen schien knapp zu werden. Dann begann ich die Insel und ihre Einwohner zu verachten. Immer diese Hitze! Überall diese Autos! Drei Stunden bis zum Strand?! Da kann ich auch von Berlin an die Ostsee fahren. Dann merkte ich, wie sehr mich dieses Unglücklichsein von meinen Freunden und Kommilitonen trennte. Da war plötzlich eine unsichtbare Linie zwischen den glücklichen, genießenden, dankbaren Studierenden und mir. Die ich einen Kloß von Traurigkeit im Hals mit mir herumtrug. Nicht mal verkriechen konnte ich mich, es war einfach zu warm. Meine Freundin tröstete mich: „Nicola, wir sind nicht wirklich weg. Wir sind nur woanders!“ Doch dieses Woanders löste in mir Beklemmungen aus. Dass meine Menschen, meine Orte, mein Leben 10.000 Kilometer entfernt waren, drückte schwer auf meine Seele.
Und wäre es der schlimmste Schmerz der Welt gewesen, ich hätte nicht abgebrochen. Also hielt ich durch.
Zurück in der Heimat, spürte ich plötzlich, wie heimelig sich frisch bezogene Damastbettwäsche auf schweren Daunendecken anfühlt. Wie herrlich beißend kalter Märzwind ist, wenn man mit dem Fahrrad durch die Straßen saust. Wie gut es tut, nach einem langen Tag aus Lederstiefeln zu schlüpfen. Wie wertvoll Freunde sind. Wie gut das eigene Bad riecht. Wie wärmend die ersten Sonnenstrahlen im Mai sind. Wie wohlig sich Heimat anfühlt. NICOLA SCHWARZMAIER
■ Wo fühlte sich die taz-Verlagsmitarbeiterin verloren? Raten Sie, gewinnen Sie. Was, steht im Editorial auf Seite 15. Ihre Antworten schicken Sie bitte an sonntaz@taz.de