CDU-NRW kämpft für Verteilungsgerechtigkeit

„NRW zuerst!“ – nach der Nichtberücksichtigung in Angela Merkels Regierungsteam schmollt die Landes-CDU und debattiert Autonomiepläne. CDU-Landesgruppe in Berlin verhandelt „Kompensation“ für fehlende Ministerposten

DÜSSELDORF taz ■ Die CDU-NRW reagiert beleidigt auf die Ministerliste von Parteichefin Angela Merkel. Nachdem die designierte CDU-Bundeskanzlerin am Montag keinen einzigen NRW-Politiker für die geplante große Koalition nominiert hatte, schmollen die West-Konservativen und sind sauer auf die Frau aus Ostdeutschland. Besonders betrübt sind die NRW-Christdemokraten darüber, dass nicht wie erwartet der rheinische Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen, sondern der sächsische Innenminister Thomas de Maizière neuer Kanzleramtschef werden soll.

„Wir hatten fest mit Röttgen gerechnet und mussten schlucken, als es nichts wurde“, so ein Mitglied des CDU-Landesvorstands gestern zur taz. „Das hat wirklich niemand erwartet und verstanden“, so ein Christdemokrat. Über die Motive von Frau Merkel wurde gestern in Düsseldorf gerätselt: „Es war wohl keine böse Absicht oder Strategie, dass NRW am Ende rausgefallen ist.“ Bleibt es bei dem Personaltableau, wäre die nordrhein-westfälische CDU erstmals in ihrer Geschichte nicht in einer CDU-geführten Bundesregierung vertreten. Im letzten Kabinett von Bundeskanzler Helmut Kohl besetzte die NRW-CDU gleich drei Posten: Jochen Borchert war Landwirtschaftsminister, Norbert Blüm Arbeitsminister und Jürgen Rüttgers zuständig für Bildung und Zukunft.

CDU-Bundesvize Rüttgers, seit dem Wahlerfolg vom 22. Mai Ministerpräsident in Düsseldorf, soll gestern vor der CDU-Landtagsfraktion deutliche Worte für die Personalentscheidungen Merkels gefunden haben. Die Nichtberücksichtigung des größten CDU-Landesverbandes sei „eine Belastung für die Zusammenarbeit“, verlautete laut Agenturberichten aus Fraktionskreisen. Diese Tatsache gebe der schwarz-gelben Regierung in NRW jetzt wiederum „die Freiheit, uns an den NRW-Interessen zu orientieren“, so Rüttgers den Angaben zufolge.

Die politischen Autonomiebestrebungen scheinen mehrheitsfähig zu sein. „Natürlich wird die NRW-Landesregierung jetzt weniger in die Bundesregierung eingebunden sein. Mit allen Folgen“, heißt es aus dem CDU-Landesvorstand. Das schwarz-gelbe NRW-Regierungsbündnis könnte versucht sein, nicht mit, sondern gegen die geplante schwarz-rote Koalition in Berlin zu regieren. Bei Themen wie dem geplanten Ausstieg aus der deutschen Steinkohle-Subventionierung könnte die Regierung Rüttgers Druck auf eine Regierung Merkel ausüben.

Zwei Umstände machen Merkels Entscheidung für die Christdemokraten an Rhein und Ruhr besonders bitter. Einerseits fühlen sich die NRW-CDU-ler als verschmähte Kanzlermacher: „Es kann nicht sein, dass wir mit unserem tollen Wahlergebnis im Mai die Kanzlerschaft von Angela Merkel erst ermöglicht haben und dann nicht im Kabinett dabei sind“, sagte etwa Hendrik Wüst, Landesvorsitzender der Jungen Union. Ferner ist die NRW-CDU frustriert, weil der mutmaßliche Koalitionspartner SPD mit drei nordrhein-westfälischen Politikern aufwartet. So sollen die NRW-Genossen Ulla Schmidt (Gesundheit), Peer Steinbrück (Finanzen) und Franz Müntefering (Arbeit) dem Kabinett angehören. Hinzu kommt der gebürtige Detmolder Frank-Walter Steinmeier (Außen).

Um die peinliche Schlappe beim regionalen Postenproporz abzumildern, stehen nun wohl christdemokratische „Kompensationsgeschäfte“ an. Nach taz-Informationen wird die NRW-CDU-Landesgruppe in Berlin in der nächsten Woche zu einer Klausurtagung zusammenkommen. Dabei sollen Forderungen nach Staatssekretärsämtern und Fraktionschefposten abgestimmt werden. Ein Abgeordneter: „Wir brauchen Verteilungsgerechtigkeit.“ MARTIN TEIGELER