Wochenschnack
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Realität nicht wahrgenommen

TTIP-Leak Staatssekretär Machnig beteuert im taz-Interview, dass es keinen Kuhhandel geben werde und es offen sei, ob es zu TTIP kommen wird

Demonstrationsteilnehmerin in Hannover im April 2016 Foto: dpa

Im Ernst?

betr.: „Immer wieder Chlor­hühnchen“, taz vom 7. 5. 16

Wer soll das denn glauben? Insbesondere nach dem Einknicken bei der Vorratsdatenspeicherung, die verhindert werden sollte. Oder der Maut, die mit der SPD niemals gemacht wird? Oder den Waffenexporten, die massiv eingeschränkt werden sollten und inzwischen Rekordhöhen erreicht haben? Diese Politik ist so glaubwürdig wie mein Hund, der die Leberwurst bewachen will: „Ehrenwort, es passiert nix, lass mich nur machen!“

Die Realität nimmt Matthias Machnig überhaupt nicht wahr: Geheimverhandlungen sind so lange keine, wie man von deren Existenz weiß. Was ist das denn für eine merkwürdige Denkweise, meint der das im Ernst? Die SPD liegt nicht darnieder! Nein, sie blüht und gedeiht mit etwa 20 Prozent wie nie zuvor. Stimmt, bei der Performance sollte sie so um die 5 bis 7 Prozent liegen.

FRITZ LOTHAR WINKELHOCH, Gummersbach

Entwürdigend

betr.: „Immer wieder Chlor­hühnchen“, taz vom 7. 5. 16

Das Interview mit Matthias Machnig hat mir erneut bewiesen, dass man die SPD nicht mehr wählen kann. Machnigs Behauptung, die Geheimniskrämerei um die TTIP-Verhandlungen sei lediglich der „Taktik bei den Verhandlungsgesprächen“ geschuldet, ist nicht nur unglaubhaft, sondern schlicht völliger Blödsinn.

Herr Machnig hat ein merkwürdiges Demokratieverständnis: Er scheint noch nicht begriffen zu haben, dass große Teile der Bevölkerung wissen wollen, was im Einzelnen Inhalt der TTIP-Gespräche ist, und sie wollen nicht ein fertiges Ergebnis vorgesetzt bekommen. Dass sich die SPD-Abgeordneten von Leuten wie Machnig und Sigmar Gabriel wie eine Schafherde behandeln lassen, ist entwürdigend und entsetzt mich. Von solchen Abgeordneten erwarte ich nichts mehr.

HANS-GEORG VEIT, Trier

Interview 2017

betr.: „Immer wieder Chlor­hühnchen“, taz vom 7. 5. 16

Dieses Interview werde ich 2017 mit einer Repräsentantin der Barclays-Bank führen:

J. K.: Frau von Barclays, ich möchte Ihnen stellvertretend für Network of Global Corporate Control zu TTIP gratulieren. Durch ihre Unterstützung hat es die Politik geschafft, in einer unsicheren Welt endlich mehr Planungssicherheit herzustellen.

v. B.: Ja, darüber bin ich sehr froh. Wir schreiben damit unsere aktuellen sehr guten Standards fest. Die Standards werden nicht sinken, sie werden so bleiben. Damit hat auch die Politik den Orientierungsrahmen, in dem sie sich jetzt bewegen kann. Die Gesetzgebung wird vereinfacht: Es muss nur geprüft werden, ob das neue Gesetz die Gewinne der betroffenen Unternehmen gefährdet. Ein einfaches Kriterium in einer immer komplexeren Welt.

J. K.: Es wird keine privaten Schiedsgerichte geben.

v. B.: Die sind jetzt auch überflüssig, da wir dafür stärker in den Gesetzgebungsprozess eingebunden werden. Es wird so gar nicht zu Investorenklagen kommen.

J. K.: Sehen Sie Risiken?

v. B.: Ja, das zunehmende Engagement der Bürgerinnen und Bürger auch bei schwierigen Fragen und komplexen Zusammenhängen macht uns Sorgen. Die Naivität der politischen Eliten wird vielen langsam unheimlich. Wir müssen das in den Griff kriegen. Diesmal ist es noch gut gegangen.

JOACHIM KARKUTH, Pulheim

Simple Dinge

betr.: „Die EU hat klare rote Linien“, taz.de vom 8. 5. 16

Keine Absenkung der Standards?

Unter der Berücksichtigung juristischer Spitzfindigkeit liegt auch das nicht im Bereich des Unwahrscheinlichen. Wie das geht, wurde ja schon oft genug vorgelebt: Man erhöht einfach schrittweise die Grenzwerte auf ein Mehrfaches des Bisherigen, oder man erklärt auch giftigste Sub­stanzen für harmlos.

Warum lernen wir nicht einfach aus ganz simplen Dingen. Wenn ich in meiner Wohnung einen Einbrecher erwische, dann verhandle ich auch nicht darüber, was er mir alles stehlen darf, sondern ich argumentiere mit etwas, das er garantiert nie wieder vergisst. WXYZ, taz.de

Durchschaubar

betr.: „Die EU hat klare rote Linien“, taz.de vom 8. 5. 16

Mir als SPD-Mitglied tut es innerlich weh, wenn ich das Interview mit dem Genossen Machnig lese. Nicht dass ich irgendetwas anderes von ihm erwartet hätte. Dazu sind unsere neoliberalen Mitgenossen zu durchschaubar.

Es tut mir weh, dass jemand kraft seiner Wassersuppe als Staatssekretär hier eine klare Minderheitenmeinung als SPD-Sicht verkaufen darf. Den Keks, den er da von sich gibt, teilen maximal noch seine stromlinienförmigen Genossen aus den alten Schröder-Tagen. Damit wäre er vermutlich nicht einmal in meinem Ortsverein durchgekommen, und der ist nicht wirklich konterrevolu­tionär veranlagt.

Die SPD wird nur dann überleben, wenn sie sich von Denkweisen wie der des Genossen Machnig verabschiedet. Dafür ist es höchste Zeit, und mit besten Grüßen an den Kollegen Machnig: Wir, die wir eine neue und bessere SPD jenseits der schröderschen Rücksichtslosigkeit anstreben, wir hören genau hin!

DETLEF WEND, Halle, taz.de

Guter Witz

betr.: „Die EU hat klare rote Linien“, taz.de vom 8. 5. 16

Geheim stattfindende Verhandlungen sind erst dann Geheimverhandlungen, wenn niemand von ihnen weiß. Geil. Danke, Herr Machnig, selten einen so guten Witz gehört.

Was ist der Unterschied zwischen Handels- und Geheimdienstfragen? Handelsabkommen kann man in der Öffentlichkeit debattieren, bei Geheimdiensten ist das schon etwas schwieriger. TTIP würde, von der Heimlichkeit her, einem Geheimdienstabkommen alle Ehre machen.

Wir wollen eine Demokratie und nicht die Administro- oder Lobbykratie, die Ihnen vorschwebt.

SMARAGD, taz.de

Totes Pferd

betr.: „Die EU hat klare rote Linien, taz.de vom 8. 5. 16

Warum noch ein totes Pferd reiten? Die Maximalforderungen der USA unter Obama sind bekannt, ebenso die frustrierten Reaktionen der EU-Verhandler, nachdem die USA anscheinend keinen Deut kompromissbereit sind. Wichtige Themen werden nicht mal verhandelt, man hinkt dem Zeitplan Jahre hinterher, und die nächste US-Präsidentschaft wird entweder vom freihandelsfeindlichen Trump oder von Clinton angeführt, die ihren progressiven, freihandelsfeindlichen Flügel um Sanders einbinden muss.

Die EU steht kurz vor dem Brexit, Griechenland kollabiert, Schengen ist quasi tot, die Flüchtlingsverteilung ungelöst und der Euro immer noch gefährdet. Vielleicht sollte man erst mal die dringlichsten Hausaufgaben machen, bevor man sich neue Probleme aufhalst. Schon der Nord-Süd-Handel innerhalb der EU könnte in Kürze zusammenbrechen, wenn Österreich den Brenner schließt. DORIAN MÜLLER, taz.de