Gewerkschaft: Die BVG lügt

Die BVG-Verantwortlichen wissen über Fangprämien Bescheid, sagt ein Ver.di-Experte. Die BVG finanziere sie sogar wahrscheinlich. Sie schweigt zur Zulage. Widersprüche bei den GSE-Chefs

VON ULRICH SCHULTE

Die Gewerkschaft Ver.di beschuldigt die BVG, in der Debatte um Kontrolleurs-Fangprämien falsche Aussagen zu machen. BVG-Verantwortliche, die in der Vergangenheit die Existenz solcher Prämien stets leugneten, wüssten sehr wohl Bescheid, sagte Uwe Borck gestern, Landesfachbereichsleiter Wach- und Sicherheitsdienstleistungen bei Ver.di (siehe Interview).

„Ich bin sicher, dass die BVG sogar die Mehrkosten für die Prämien übernimmt.“ Um von der BVG beauftragt zu werden, müsse die Privatfirma mit dem niedrigstmöglichen Stundenlohn kalkulieren, begründet Borck. „Ein Lohnaufschlag von 20 Prozent sitzt da gar nicht drin.“ Nichts anderes aber ist die Zulage, die die Sicherheitsfirma GSE Protect ihren Kontrolleuren für Schwarzfahrer-Quoten zahlt.

GSE-Mitarbeiter hatten der taz bestätigt, dass sie am Monatsende einen Lohnaufschlag von 1,02 Euro pro Stunde nur bekommen, wenn sie einen Schnitt von 12,5 erwischten Schwarzfahrern je Arbeitstag vorweisen können.

Die Geschäftsführung war zunächst eineinhalb Wochen nicht für eine Stellungnahme zu erreichen, jetzt äußern sich die GSE-Chefs widersprüchlich. Der Kaufmännische Leiter Norbert Haase bestätigte in der B.Z. eine „kleine Motivationshilfe“. „Es wäre ja schlecht für uns, wenn unsere Mitarbeiter gelangweilt nach dem Fahrausweis fragen und sich nicht darum kümmern, ob er wirklich vorhanden ist.“

GSE-Geschäftsführer Hellmuth Bindig stritt hingegen gestern eine Staffelung der Zulage nach ertappten Schwarzfahrern ab. „Alle Kontrolleure bekommen den Aufschlag. Er ist an qualitative Kriterien gebunden, nicht an quantitative.“ Wie diese qualitativen Kriterien aussehen, wollte er nicht beantworten. Bindig räumte ein, dass ein Kontrolleurs-Team eine bestimmte Zahl von Fahrgästen prüfen müsse. Üblich seien 400 bis 500 am Tag.

Die BVG gibt sich in der Angelegenheit weiter wortkarg. Den Gewerkschaftsvorwurf, die BVG wisse von Fangprämien und zahle sie auch, dementierte BVG-Sprecher Klaus Wazlak nicht – wollte ihn aber auch nicht bestätigen. „Wir äußern uns nicht öffentlich über Vertragsbestandteile, die die BVG mit anderen Firmen vereinbart hat.“ Die BVG werde mit den GSE-Verantwortlichen über ihre Geschäftspraktiken reden, kündigte er an – in „Routinegesprächen“.

Die Art, wie die GSE die Zulage auf dem Papier regelt, mutet seltsam an und ist juristisch unüblich. In einem Arbeitsvertrag, der der taz vorliegt, ist sie nicht unter dem die Entlohnung regelnden Punkt „Arbeitsentgelt“ aufgeführt. Stattdessen wird unter „Sonderleistungen“ festgelegt, es handle sich um „jederzeit nach freiem Ermessen widerrufliche“ Leistungen. Für sie gebe es auch nach „wiederholter Gewährung“ keinen Rechtsanspruch für die Zukunft, so der Vertrag.

Damit nicht genug. Erst unter einem weiteren Abschnitt, den „Besonderen Vereinbarungen“, definiert die GSE den Betrag von 1,02 Euro pro Stunde. Die Staffelung nach erwischten Schwarzfahrern ist laut Beschäftigten mündlich vereinbart.