Bundeswehr auf Wachstumskurs

Militär Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will die Truppenstärke der Bundeswehr erstmals seit dem Ende des Kalten Kriegs wieder erhöhen. Die Finanzierung des Vorhabens hängt aber noch in der Luft

Schon beim Girls Day im April warb von der Leyen in Berlin für mehr Frauen bei der Truppe Foto: Kay Nietfeld/dpa

Aus Berlin Tobias Schulze

Erstmals seit Ende des Kalten Kriegs soll die Bundeswehr wieder wachsen – zumindest ein bisschen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte am Dienstag, dass die Armee bis zum Jahr 2023 rund 14.300 zusätzliche Soldaten benötige. Zunächst will die CDU-Politikerin aber nur rund 7.000 neue Stellen schaffen. Um den berechneten Bedarf zumindest annähernd zu decken, soll die Bundeswehr zudem weitere 5.000 Soldaten gezielter einsetzen als bisher.

„Heute ist das Signal in die Truppe hinein sehr klar: Ein Vierteljahrhundert des Schrumpfens ist vorbei. Es ist Zeit für die Bundeswehr, wieder zu wachsen“, sagte von der Leyen.

In den vergangenen 26 Jahren hatte die Politik die Armee stetig verkleinert: Am Tag der Wiedervereinigung dienten noch knapp 600.000 Soldaten. Bis zur Bundeswehrreform und der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 sank die Zahl bereits um rund zwei Drittel. Nach der Reform schrumpfte die Bundeswehr noch weiter, die Personalobergrenze liegt seitdem bei 185.000 Soldaten.

Dass die Zahl jetzt wieder steigen soll, liegt an den veränderten Rahmenbedingungen: Die Nato und Russland liegen im Clinch, dazu kommen Bürgerkriege in der arabischen Welt. Die Bundesregierung schickt die Armee deswegen in weit mehr Einsätze und Übungen als zum Zeitpunkt der Reform.

Um die neuen Belastungen abzufedern, soll die Bundeswehr auf rund 192.000 Soldaten wachsen. Sollte die Armee in Zukunft noch mehr Aufgaben übernehmen, könnte diese Zahl noch weiter steigen: Starre Personalobergrenzen will von der Leyen abschaffen. Stattdessen soll ein sogenanntes Personalboard innerhalb des Verteidigungsministeriums jährlich den aktuellen Bedarf berechnen und die entsprechenden Stellen beim Finanzministerium anmelden.

Ein Vierteljahrhundert des Schrumpfens ist vorbei“

Ursula von der Leyen

Ob es dann tatsächlich auch Geld für neues Personal gibt, ist allerdings offen. Schon für den ersten Schritt mit rund 7.000 neuen Stellen könnte es knapp werden. Die Bundesregierung plant zwar, den Verteidigungsetat in den kommenden Jahren zu erhöhen. Von den zusätzlichen Milliarden muss die Bundeswehr aber auch ihr ebenfalls angekündigtes Rüstungsprogramm finanzieren. Zudem steigen die Personalkosten wegen Tariferhöhungen auch ohne neue Stellen.

Fraglich ist auch, ob es ausreichend geeignete Bewerber gibt. Schon jetzt sind in der Bundeswehr rund 8.000 Stellen nicht besetzt. Vor allem Fachkräfte fehlen, zum Beispiel im IT-Bereich. Wegen des demografischen Wandels gibt es ohnehin weniger potenzielle Rekruten. Qualifizierter Nachwuchs geht zudem lieber zu zivilen Arbeitgebern, die besser zahlen und keine Kriege führen. Schließlich gibt es noch Probleme in den Rekrutierungsbüros: Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) spricht von teilweise „schwieriger telefonischer Erreichbarkeit, missverständliche Kommunikation und mangelnder Freundlichkeit“.

Unabhängig davon kommt aus der Opposition Kritik an den Plänen. „Personal fehlt in der Bundeswehr jetzt deshalb, weil sich Frau von der Leyen bei jeder Gelegenheit nach vorne drängelt, um deutsche Soldaten in Kriegsgebiete oder in Nato-Manöver zu bringen“, sagte die Linken-Abgeordnete Christine Buchholz. Das Problem sei nicht die Größe der Armee, sondern ihre „grundlegend falsche Ausrichtung“.