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Unschuldig und überrascht?

betr.: „Angst vor der Gettoisierung“, taz vom 6. 5. 16

Seltsam, dass die Behauptungen der Essener Nord-SPD unreflektiert übernommen werden. Die Behauptung zum Beispiel, der Essener Norden würde die Hauptlast der Flüchtlingsunterbringung tragen, wird ja durch ständige Wiederholung nicht wahrer. Tatsächlich ist es der südlichste Bezirk IX, in dem die meisten Flüchtlinge untergebracht wurden. Mit den Fakten konfrontiert heißt es dann immer: „Ja, darum ginge es ja nicht, der Norden sei eben voll.“ (So wie das Boot!)

Auch die Behauptung der Widerstand gegen Flüchtlinge sei im Essener Süden größer, scheint doch an den Haaren herbeigezogen. Im Essener Süden, zum Beispiel im Stadtteil Werden, gibt es eine engagierte Bürgerschaft, die sich um die Integration bemüht. Im Norden wird gegen Flüchtlinge demonstriert und die SPD marschiert vorneweg.

Seltsamerweise hat man in Essen den Eindruck, dass sich die CDU um eine sachliche Flüchtlingspolitik bemüht, während die SPD ihr Engagement für „den kleinen Mann“ ausgerechnet dann entdeckt, wenn Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht wird – und dann tut man ganz unschuldig und ist überrascht, welches Publikum man damit anzieht. B. Bremer,Essen

Da bleibt einem die Luft weg

betr.: „Schweineköpfe vor der Tür“, taz vom 9. 5. 16

Angesichts des „Schweineköpfe“-Kommentars ist mir noch im Nachhinein jener kürzlich erschienene, der den muslimischen Zentralrat anlässlich eines Vergleiches der Situation mit der AfD und der der unrühmlichen deutschen Vergangenheit der Dummheit bezichtigte, mehr als unverständlich! Die AfD nutzt wie damals eine bräsige deutsche Unzufriedenheit mit sich selber und daher mit den bestehenden Lebensverhältnissen – die, machen wir uns nix vor, in Dresden und Wuppertal allemal besser sind als in Aleppo und Tripolis –, um die eigene Machtposition zu erhalten und zu vergrößern. Und wenn meine Lebensgefährtin, die als halbe Marokkanerin in Deutschland aufwuchs und „sozialisiert“ wurde, nach den „erdrutschartigen“ (siehe 1933) Wahlsiegen der AfD lakonisch bemerkt, dass, ginge das so weiter, sie die Erste sei, die „weg müsse“, dann bleibt einem ob der so oft gleichgültigen wie verständnisvollen Haltung gegenüber den neuen politischen Strömungen die Luft weg.

JAN MICHAEL HORSTMANN, Radebeul

Nachteile der Energiewende

betr.: „Milan und die Windräder“, taz vom 6. 5. 16

Windräder sind nicht nur ein Problem für Milane. Windparks zerstören optisch nachhaltig die Landschaft. Sie beeinträchtigen – insbesondere wenn sie unsensibel platziert werden – den Erholungswert. Diesen erheblichen Nachteil muss man gegen die Vorteile der Energieerzeugung (die zunächst nur einzelnen Personen zugute kommen) standortbezogen abwägen. Wenn Windparks nicht in die Landschaft passen, müssen Sie weit draußen im Meer angeordnet werden. Zerstört und beeinträchtigt werden Landschaft und Ortsbilder meist aber auch durch Starkstromleitungen und irgendwie auf Dächern applizierte Solaranlagen. Starkstromleitungen gehören in der Regel unter die Erde. Es ist unverständlich, dass es in der reichen Bundesrepublik keine durchdachten, weiträumigen, übergeordneten Konzepte gibt, wie Nachteile der Energiewende, die für die Landschaft und die Ortsbilder oft entstehen, zum Wohle der Allgemeinheit weitgehend vermieden werden können. GERHARD BOLTEN, Hamburg

Willkommene Irreführung

betr.: „Milan und die Windräder“, taz vom 6. 5. 16

Der Artikel über den lokal empfundenen Widerstreit von Vogelschutz und Energieerzeugung geht an einem wichtigen Thema vorbei: Was bedroht die Wildvögel eigentlich am meisten? Sind es Flugzeugturbinen, die Zigtausende Vögel zu Detritus schreddern? Oder Pestizide, die die Eier und den Nachwuchs zerstören? Oder das Ausräumen der Landschaft, in der die Tiere verhungert sind, bevor sie ein Windrad erahnen?

Es ist eine willkommene Irreführung, dass Windräder relevanten Schaden anrichten würden. Fakt ist: Jede Form erneuerbarer Energie ist besser als das, was wir bisher nutzten. Denn alleine die Schäden aus Kohleabgasen (Quecksilber, Cadmium, Uran, CO2 – die Reihenfolge ist Ansichtssache) und Nuklearrückständen (800.000 Jahre Wartezeit) verursachen weit mehr Tod und Verderben, als ein paar Windräder. Wer seine Haare föhnen will und einen Staubsauger benutzt, der sollte sich besser ganz ruhig an die eigene Nase fassen und nach machbaren Lösungen suchen! Wir alle brauchen erneuerbare Energie in großen Mengen.

HARALD BORNHOFF, Düsseldorf

Wechselseitige Kontrolle

betr.: „Fang den Dieb“, taz vom 7. 5. 16

Ich empfehle den Schreibern dieses Artikels das aktuelle Buch von Harald Welzer, „Die smarte Diktatur“. Offensichtlich geht es auch den Autoren „um eine Welt der totalen wechselseitigen Kontrolle, in der keine Institution den Einzelnen schützt und jeder die Gestapo des anderen ist.“ (Welzer) Ein GPS-Sender am Fahrrad ist der Einstieg in eine Gesellschaft, in der ich nicht leben möchte. ECKART LÖHR, Essen