Beim Geld fängt die Freundschaft an

Union und SPD wollen in der großen Koalition vor allem: sparen. Dafür geben sie erste Wahlversprechen preis. Krach um die Mehrwertsteuer? Zoff um den Atomausstieg? Fehlanzeige. Ernsthaften Streit dürfte es aber beim Thema Arbeitsmarkt geben

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Kann sich noch jemand an den harten „Richtungswahlkampf“ erinnern, den Union und SPD bis vor einem Monat führten? Schon nach der ersten Runde der Großen-Koalitions-Verhandlungen am Montagabend im Willy-Brandt-Haus herrscht nun Einigkeit in vielen zentralen Fragen.

Das Leitmotiv der neuen Regierung lautet „Sparen“. Der gemeinsame Blick in Hans Eichels Haushaltslöcher führte zur Bereitschaft, von einstigen Wahlversprechungen abzurücken. So sträuben sich die Sozialdemokraten nur noch viertelherzig gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. „Diese Steuer ist nicht vorgekommen heute“, sagte Müntefering lediglich. Eine kategorische Absage klingt anders. Nämlich so: „Steuersenkung kann es nicht geben“, erklärte der Vizekanzler in spe. „Also in dieser Legislaturperiode ganz sicher nicht.“ Da sich bei der Union darauf kaum Widerspruch regte, scheint die Entlastung aller Einkommensgruppen vom Tisch, die die Union angekündigt hatte.

Wieder stark in Mode ist dafür der „Rasenmäher“, mit dem der künftige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) schon vor zwei Jahren bei staatlichen Subventionen kürzen wollten. Die Frage sei nur noch, ob der Rasenmäher diesmal 12, 24 oder gar 30 Prozent an Steuervergünstigungen und Finanzhilfen abschneide, erklärte Koch.

Gänzlich gestrichen wird die Eigenheimzulage, an der die Union sieben rot-grüne Jahre lang eisern festgehalten hatte. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Olaf Scholz, sagte dazu, ungeklärt sei außer dem Zeitpunkt der Eigenheimzulagen-Streichung (2006 oder 2007) aber noch, wofür das eingesparte Geld verwendet werde. Die Union möchte einen Kinderbonus bei den Rentenbeiträgen einführen, die SPD den Etat entlasten.

Bei aller Einigkeit über einen harten Sparkurs samt unpopulärer Maßnahmen müssen beide Koalitionspartner natürlich am Ende auch jeweils eigene Erfolge vorweisen können. Nicht zuletzt, weil sie die Zustimmung ihrer Parteitage brauchen. Deshalb dürften in den nächsten Wochen, bis zum angestrebten Abschluss der Verhandlungen am 12. November, noch zahlreiche Konflikte ausgetragen werden. Die SPD wählte als erstes Streitthema die Energiepolitik. „Der Atomausstieg ist für uns ein Tabu“, sagte ihr Fraktionsvize Michael Müller gestern. Ähnlich hatte sich zuvor bereits der künftige Umweltminister Sigmar Gabriel geäußert. Bei der Union dagegen fühlte sich bisher kein Spitzenpolitiker bemüßigt, die Wahlkampf-Forderung nach einer längeren Laufzeit für Atomkraftwerke zu wiederholen.

Daraus lässt sich schließen, dass die Union der SPD einen Erfolg in der Atompolitik gönnt, wenn sie dafür andere Zugeständnisse erhält. Erste Priorität habe die Arbeitsmarkt-Politik, hieß es aus Merkels Umfeld. „Da müssen wir etwas von unserem Programm durchsetzen.“ Programmiert ist damit doch noch ein ernsthafter Streit. Die unterschiedlichen Vorstellungen bei Kündigungsschutz und anderen Arbeitnehmerrechten wurden bisher noch verdrängt – sie sollten den harmonischen Start der Verhandlungen nicht trüben.

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