„Saddam soll krepieren wie ein Hund“

Die Angehörigen der Opfer haben nicht verziehen und nicht vergessen. Sie wollen Rache und Wiedergutmachung

ERBIL taz ■ Es war, als würde sogar der Himmel Trauer tragen. Eine dicke Dunstglocke aus Sand und Staub verdunkelte die Sicht, als vorgestern die sterblichen Überreste von rund 500 Kurden aus dem Südirak nach Erbil überführt wurden.

Nachdenklich blickt Khoshewist Sabri auf die in die kurdische Trikolore gehüllten Särge, die von einer Ehrengarde auf dem Flugfeld der kurdischen Hauptstadt aufgebahrt werden. Sein Vater, sein Großvater und 16 seiner Onkel wurden an einem Julitag im Jahr 1983 von Schergen des Regimes verschleppt. Sie gehörten dem Barzani-Stamm an, dem Stamm des heutigen Präsidenten von Kurdistan, Masud Barzani. Ingesamt 8.000 Jungen und Männer im Alter zwischen 10 und 89 Jahren wurden an diesem Tag in einem Lager im Süden von Erbil zusammengetrieben und ins berüchtigte Gefängnis Abu Ghraib verschafft. Von dort wurden Nacht für Nacht 100 bis 120 Gefangene in den Südirak gebracht, erschossen und in Massengräbern an der saudi-arabischen Grenze verscharrt. Der Tag, an dem 500 von ihnen in Särgen zurückkehren, sei ein schwerer Tag, sagt Khoshewist. „Ich weiß jetzt, dass ich meinen Vater nie mehr wiedersehen werde.“

Doch der Massenmord an den Barzanis war erst der Auftakt für die Schrecken der kommende Jahre. 182.000 Kurden wurden nach kurdischen Schätzungen während der berüchtigten Anfal-Offensiven im Jahr 1988 ermordet. Dem Giftgaseinsatz in Halabdscha fielen 5.000 Kurden zum Opfer. Für die Massenmorde an den Kurden und den zehntausenden Schiiten nach der Niederschlagung der Aufstände im Frühjahr 1991 muss sich Saddam Hussein zum Prozessauftakt nicht verantworten.

„Saddam verdient die Todesstrafe“, sagt der heute 30-Jährige. Trotzdem will er nicht, dass der ehemalige Diktator hingerichtet wird. „Es sollte bei Brot und Wasser in der Zelle schmoren, damit er am eigenen Leib erfährt, was er uns angetan hat.“ Eine möglichst lange und elende Gefangenschaft wünscht dem Ex-Despoten auch Binesh Abdulla. Ganz in Schwarz gekleidet, hält sie tränenüberströmt ein Bild ihres Vaters in Händen, den sie zusammen mit einem Bruder an jenem heißen Sommertag 1983 verlor. „Krepieren wie ein Hund“ sollte Saddam, sagt Binesh.

Für die rechtlichen Fallstricke des Tribunals haben Khoshewist und Binesh wenig Verständnis. Sie wollen nach 22 Jahren vor allem eine gewisse Wiedergutmachung für das Leid, das man ihnen angetan hat. „Saddam geht es selbst in seiner Gefängniszelle besser als mir“, sagt Binesh bitter.

Kaum 15 Jahre alt, musste sie nach dem Verschwinden des Vaters die Schule verlassen und als Tagelöhnerin zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Erst seit kurzem bekommt die Mutter eine monatliche Hinterbliebenenrente von 150 Dollar. Wenn Saddam heute vor die fünf Richter tritt, können das Khoshewist und Binesh nur über eine möglicherweise zensierte Fernsehübertragung verfolgen. „Ich hätte den Prozess gerne selber verfolgt“, sagt Khoshewist. Doch für die Opfer blieben die Gerichtstüren ebenso verschlossen wie für die Mehrheit der Journalisten.

INGA ROGG