Wochenschnack
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Zum Wohle der Kinder

FAMILIENPOLITIK taz-Autor Thorsten Denkler sah in seinem Debattenbeitag die Erziehungsleistung getrennt lebender Väter negiert

Berlin 2007. Mann läuft mit Kind im Park Foto: dpa

Gejammer nervt

betr.: „Auf den Unterhalt reduziert“, taz vom 3. 5. 16

Der Tonfall von Väterrechtlern ist für mich als „Zahlmutter“ schwer zu ertragen. Da muss ich Sätze lesen wie: „Mütter haben die Kinder, Väter zahlen. [...] The winner takes it all.“ Fragt sich nur, wer der „winner“ ist.

Die Person, die sich vorwiegend um Kinder kümmert, ist sehr häufig die Mutter. Aber ob sie damit gewonnen hat, ist doch fraglich. Sicher ist jedenfalls, dass der Vater meines ältesten Kindes, für das er alleinerziehend sorgt, dafür einiges an Kraft aufbringen muss. Ich bin nicht sicher, wie viele Väter dazu bereit wären. Dafür zahle ich selbstverständlich Unterhalt, auch wenn mittlerweile in meinem Haushalt ein weiteres Kind lebt. Wo ist das Problem?

Das Gejammer über die Wahnsinnskosten und darüber, wer wie viel „vom Kind“ bekommt, geht mir einfach auf die Nerven. Jenen Eltern, die die Sorgerechtsfrage zum Kampfschauplatz ihrer Beziehung machen, kann auch der Gesetzgeber nicht helfen.

NAME und Wohnort sind der Redaktion bekannt

Was stört

betr.: „Auf den Unterhalt reduziert“, taz vom 3. 5. 16

Lieber Thorsten Denkler,

was mich an Ihrem Artikel stört, ist, dass Sie von geteilt reden, wenn sie gemeinsam meinen. Sie sprechen sogar von „teilerziehenden“ Eltern. Damit karikieren Sie die Idee der gemeinsamen elterlichen Sorge, und die ist im deutschen Recht sehr wohl verankert und wird, was ich in meiner Praxis als Beiständin, die sich um Vaterschaftsfeststellungen und Unterhaltssicherung für Kinder in einem Jugendamt kümmert, sehr wohl gelebt: auch von Eltern, die bei der Trennung die Regelung getroffen haben, dass das Kind nicht von einem Elternteil zum andern, möglicherweise noch im Minutentakt aufgeteilt, wechselt beziehungsweise wechseln muss. Wo sich das Kind die meiste Zeit aufhält, ist für die gemeinsame Verantwortung und für die gemeinsame elterliche Sorge völlig unerheblich.

Bei der Klärung, wer an wen einen Barbetrag zur Unterhaltssicherung des Kindes zahlen muss, ist dagegen der Aufenthalt des Kindes ausschlaggebendes Kriterium. Nach heutiger Rechtslage schuldet derjenige Barunterhalt, der mit seinem Kind nicht zusammenlebt.

Bei der Neuorganisation von Familien kommt es in der Regel im finanziellen Bereich zu Engpässen, insbesondere dort, wo wenig zu verteilen ist. Zu befürchten ist, dass die Probleme weiterbestehen und sich auch auf die gemeinsame Elternverantwortung auswirken werden, wenn es weiterhin lediglich zu höchstrichterlichen Entscheidungen bezüglich Elternverantwortung und Aufenthalt der Kinder, nicht aber zu angepassten Unterhalts- und Finanzentscheidungen kommt.

HILDE THEOBALD, Saarbrücken

Klarer Kommentar

betr.: „Volle Teilhabe an elterlicher Sorge“, taz.de vom 5. 5. 16

Vielen Dank für den erfrischend klaren Kommentar. Deutschland ist in puncto Kinder- und Väterrechte Entwicklungsland. Selbst die konservative Schweiz hat Deutschland inzwischen überholt. Frankreich ist Jahrzehnte voraus.

VELOFISCH, taz.de

Auf den Punkt

betr.: „Volle Teilhabe an elterlicher Sorge“, taz.de vom 5. 5. 16

Vielen Dank, Herr Denkler, für die knackige Zusammenfassung der Debatte – sie bringen die Gemütslage der Gesellschaft, insbesondere der Juristen, auf den Punkt. Toll auch Ihre Thematisierung der Streit fördernden Fehlanreize!

JO BU, taz.de

Kleine Schieflage

betr.: „Volle Teilhabe an elterlicher Sorge“, taz.de vom 5. 5. 16

Eine kleine Schieflage hat der Kommentar: Eine geteilte Betreuung ist keineswegs doppelt so teuer. Viel teurer ist es für alle, wenn das „Alleinerziehen“ zur zwanghaften Lebensform wird und (überwiegend) die Frauen ihre berufliche Entwicklung völlig vernachlässigen. Ein Wechselmodell senkt nachweislich die Armutsrate von beiden Eltern.

Die Umgangskinder waren dem Sozialstaat bisher reichlich egal. Erst wenn es ans Haushaltsbudget der Frauen geht, fällt einigen das Problem überhaupt auf. Vorher war es für die Gleichen egal, ob das Kind in seiner Zeit (meistens) beim Vater (der vielleicht ebenfalls bedürftig ist) keinerlei Absicherung des Existenzminimums hat.

Insofern ist die Anerkennung der Umgangskosten als Existenzminimum der Kinder ein erster Schritt in die richtige Richtung und zur Umsetzung der Europaratsempfehlung. Allerdings decken die Sätze nicht den Bedarf von Trennungskindern ab – in keinem der beiden Haushalte.

UMGANGSKOSTEN.DE, taz.de

Glaube fehlt

betr.: „Volle Teilhabe an elterlicher Sorge“, taz.de vom 5. 5. 16

„Allein mir fehlt der Glaube“ – nämlich daran, dass eine offensichtlich kindeswohlfeindliche Familienrechtsprechung sich belehrbar erweisen könnte – von der überwiegend an Profit orientierten Helfer­industrie ganz zu schweigen.

Wer beispielsweise den legislativ intendierten Sinn des § 1626a BGB frech unterläuft, indem er als Richter das gemeinsame Sorgerecht zu übertragen verwehrt und dazu das Kindeswohl strapaziert, der lässt sich vermutlich auch nicht von seiner Unrechtsprechung abbringen, wenn die Möglichkeit besteht, ein Doppelresidenzmodell unter „Kindeswohl“ zu subsumieren.

Wenn die deutsche Familiengerichtsbarkeit nicht willens oder nicht in der Lage ist, geltendes Recht seinem Sinn nach anzuwenden, dann müssen davon benachteiligte Väter klagen, Dienstaufsichtsbeschwerden einreichen und Strafanzeigen erstatten.

G. H. EMMERMANN, taz.de

Die Politik schweigt

betr.: „Volle Teilhabe an elterlicher Sorge“, taz.de vom 5. 5. 16

Das neue Leitbild ist in der Lebenswirklichkeit der Menschen vielfach schon etabliert – nur Politik und Recht haben sich darauf bisher noch nicht eingestellt. So gibt es bis heute noch keine gleichberechtigte Elternschaft nach einer Trennung – eigentlich ein Skandal, aber die Politik schweigt seit Jahren. Ans Familienrecht geht man trotz des erheblichen Reformbedarfs nicht heran. So gibt es noch immer viele Berufsgruppen, die an streitenden Eltern hervorragend verdienen. Dies könnte ein Grund dafür sein, weshalb der größte Widerstand gegen das Wechselmodell von den Juristen kommt – allein in meinem kleinen Archiv sind es bereits über 40 Entscheidungen zum Wechselmodell, welche die Widersinnigkeit der Argumentationen, welche zur Verhinderung einer gleichberechtigten Elternschaft herangezogen werden, vor Augen führen.

Die Sozialwissenschaften, die sich wohl mit dem Wohlbefinden von Kindern besser auskennen, haben nur wenig Zweifel am Wechsel­modell – daher auch die eindeutige Empfehlung des Europarats. Es muss auch erwähnt werden, dass das Wechselmodell nicht doppelt so teuer ist wie das Residenzmodell. Gewisse Mehrkosten gibt es zwar, diese halten sich aber durchaus im Rahmen.

MARKUS WITT, taz.de