Linke soll von Sanders lernen

Neustart Nach der Schlappe bei den Landtagswahlen fordern die Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger eine neue Strategie. Regieren steht darin an letzter Stelle

Anhänger von Bernie Sanders. Vom US-Politiker wollen sich die Linken-Chefs etwas abschauen Foto: reuters

aus Berlin Anna Lehmann

Die Vorsitzenden der Linkspartei, Katja Kipping und Bernd Riexinger, rufen die Revolution aus. Zumindest auf dem Papier. Mit den Worten „Revolution für Gerechtigkeit und Demokratie“ ist ein Strategiepapier der linken Doppelspitze überschrieben, welches der taz vorliegt. Darin machen die beiden Parteivorsitzenden Vorschläge, wie die Linke ihre Rolle im Parteienspektrum neu definieren kann, um Wähler und Mitglieder zurückzuerobern.

Mit dem Revolutionspapier empfiehlt sich das 2012 als Krisenmanager gewählte Führungsduo für die Wiederwahl auf dem Parteitag Ende Mai. Auf diesem wird auch die Frage auf der Tagesordnung stehen, wie sich die Linke künftig aufstellen soll, nachdem sie bei den Landtagswahlen im März all ihre Wahlziele verfehlt hat. Die Antwort von Kipping und Riexinger: radikaler werden. Der Begriff taucht gleich mehrfach auf.

„Kleine Kurskorrekturen innerhalb des neoliberalen Kapitalismus reichen nicht“, konstatiert das Führungsduo und ruft deshalb zur „Konfrontation mit den Reichen“ und zum Kampf für eine „radikale Besteuerung der Profite“, eine „radikale Umverteilung“ und auch für eine „radikale Kritik an der EU“ auf.

Keine ganz neuen Vorschläge, aber rhetorisch neu verpackt. Da ist zum einen das Spiel mit dem Wort „Revolution“. „Revolution ist heute nicht als Sturm auf das Winterpalais zu ver­stehen“, sagt Kipping im Gespräch mit der taz und schwächt den Begriff damit ab. Andererseits stellt sie aber klar: „Wir wollen Gegnerschaft klarer benennen.“

Als Gegner machen Kipping und Riexinger neben den Begüterten und der EU auch die „Alternative für Deutschland“ aus. Gegen die Ideen der AfD von Nation, Familie und Autorität setzt man auf einen „offensiven Kulturkampf“.

Die AfD hat gerade aus dem einstigen Stammwählerlager der Linken Zulauf bekommen und wurde bei ArbeiterInnen, Erwerbslosen und gewerkschaftlich Gebundenen stärkste Partei. Riexinger und Kipping wollen einen Teil dieser Menschen zurückgewinnen und zugleich neue Wähler aus dem Nichtwählerspektrum mobilisieren. „Was wir von Corbyn, Sanders und Podemos lernen können“ ist ein Absatz überschrieben, in dem Kipping und Riexinger eine Zuhörinitiative anregen.

Eine Strategie, die Riexinger selbst im Wahlkampf ausprobiert hat, als er im Stuttgarter Brennpunktviertel Hallschlag mit seinem Team an Haustüren geklingelt hat, um mit Bewohnern ins Gespräch zu kommen und sie auf Initiativen vor der Haustür aufmerksam zu machen – das Mieterfrühstück am Wochenende etwa.

Die Linke soll also künftig konsequent mit am Frühstückstisch solcher Initiativen sitzen. Damit will die ­Partei an ihre einstigen Erfolge als Kümmerpartei im Osten ­anknüpfen. Denn eine der Lehren, die Kipping und Riexinger aus dem Wahldesaster gezogen haben, heißt auch: „eben nicht staatstragend aufzutreten“.

„Es gibt kein linkes Lager der Parteien mehr“

Katja Kipping und Bernd Riexinger

Dazu passt, dass die beiden Parteivorsitzenden dem Projekt einer rot-rot-grünen Bundes­regierung erst einmal Adieu ­sagen. Die Frage, ob so eine Koalition im Bund möglich sei, war lange Zeit diskutiert worden. Riexinger hatte das in der Vergangenheit auch beworben.

Nun konstatieren er und Kipping: „Es gibt kein linkes Lager der Parteien mehr.“ Man lasse Grüne und SPD nicht aus der Verantwortung, sagt Kipping. „Aber wir rennen ihnen auch nicht hinterher. Wir sind nicht in der Bittposition.“ Die Linke soll sich künftig als Motor eines Lagers der Solidarität verstehen. Grüne und SPD sind herzlich eingeladen, ein „grundlegender Kurswechel“ vorausgesetzt.

Aus dem Parteivorstand, der das Papier am Wochenende erhielt, kommen zunächst verhaltene Reaktionen. Vize Axel Troost spricht aber von einem „wichtigen Beitrag für die Erneuerung der Partei“.

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