Berlin auf einer Linie

ADVENTSKALENDER Der Bus M29 verbindet Neukölln mit dem tiefen Westen. Wer mit ihm fährt, erlebt, wie sich Stadt und Bewohner verändern. Die Fotografin Annette Hauschild hat dies für die taz festgehalten

1/2 Der M29 unterwegs durch den Regen in Richtung Roseneck Fotos: Annette Hauschild

3 Sie schaut so sehnsüchtig, und ich denke, das ist nicht das Warten auf den Bus. Ich frage, was sie hört – Techno, okay, darauf hätte ich nicht getippt

4 Im Taxi-Café: Tayip S. schimpft mich aus, weil ich kein Wort Türkisch kann. Wo sie doch seit 50 Jahren hier sind. Ich schäme mich, er hat schon recht

5 Jakob kommt gegen Mittag in sein Café Shake Point Ali und sagt: „Guten Morgen“

6 Liebe Berliner, seid nett zu euren Busfahrern: Zeigt unaufgefordert eure Fahrscheine und schließt den Regenschirm, bevor ihr einsteigt

7 Morgen im Görlitzer Park. Vereinzelte Gestalten, alle mit Kapuzen. Manchmal gibt es eine Begegnung, etwas wird beiläufig ausgetauscht

8/9 Um 10.30 Uhr in der Roten Rose: „Das ist keine Kneipe, das ist ’ne soziale Einrichtung. Hier treffen sich Subproletariat und Lumpenproletariat“, sagt der Disputant

10 Das Camp der Flüchtlinge. Kleine Gesten der Menschlichkeit – die kann hier jeder loswerden. Zum Beispiel in Form von Eiern, Nudeln, WC-Enten, Brennholz

11 V. ist Chilene. „Berlin ist unglaublich. Du kannst machen, was du willst“, sagt er und läuft über den Erwachsenenspielplatz Prinzessinnengärten

12 Ich muss zweimal hinschauen, aber das ist Felice, Tochter meiner früheren Mitbewohnerin. Sie trägt jetzt, wie meine Tochter, eine große Brille

13 Erol sagt, das sei der einzige Supermarkt mit Bushaltestelle und eigentlich müsste die BVG Miete bezahlen. Weil die Kunden bei Regen fast auf der Ware liegen

14 Der Herr von der Sicherheitsfirma meint: „Die Leute sagen, dit ist doch bestimmt ’ne Kopie, und die schielt ja ooch – und det isset denn“

15/16 „Spontanbewuchs war hier früher auf dem ganzen Areal“, sagt der Weihnachtsbaumverkäufer. „Wo sich Fixer und Nutten trafen, wohnen nun Millionäre“

17 Vor dem KaDeWe steht ein tänzelndes Michelin-Männchen mit Matrosenmütze. Eine Spende? Es ist nicht rauszukriegen, wofür es sammelt

18 Auf der Kantstraße wird ein Haus abgerissen. Viele bleiben vor dem neuen Waldorf Astoria stehen und schauen

19 Das Mysterium des mittleren Ku’damms sind die Russen. Aber nicht jede Schöne mit Pelzmütze ist eine Russin. Erin etwa kommt aus Manchester

20 „Nur drei Tage die Woche bin ich in der Stadt. Aber hier ist mein Quartier, seit 40 Jahren. Früher war das ein Szenebezirk“, sagt Hosta Müller

21 Nein, er ist es nicht, er inszeniert ihn: Patrick Wengenroth spielt Fassbinder. Er ist aus der Zeit gefallen und aus dem Raum hier in der Schaubühne

22/23 Wie ein Koberer versucht Klaus, die Passanten zu locken: „Mein Herr, ein Rotwein, ein Glühwein für ’nen guten Zweck.“ Der Lions Club Grunewald sammelt Geld für soziale Projekte

24 „Busfahrer, Taxifahrer – wir duzen uns, sind ja vom gleichen Stande sozusagen“, sagt Mike vom Kiosk